Unsagbare Grausamkeiten und die Hoffnung des grünenden Ölzweigs: Huzur-Frauen zu Besuch im jüdischen Museum
22 Frauen aus der Huzur-Seniorenfreizeitstätte erlebten Anfang Mai 2008 die Achsen der Kontinuität, der Flucht und des Holocaust - und ließen sich im jüdischen Museum Gemeinsamkeiten zwischen Judentum und Islam erklären.
Am 6. Mai 2008 besuchte die HUZUR Seniorenfreizeitstätte mit 22 Frauen das Jüdische Museum - und das schon zum zweiten Mal, was auch die Programmdirektorin, des Muesums Cilly Kugelmann sehr freute: Wie die Juden sei ja auch der türkische Anteil der deutschen Bevölkerung eine ethnische und religiöse Minderheiten in einer christlichen Mehrheitsgesellschaft, somit gebe es bestimmt parallele Erfahrungen.
Ufuk Topkar, einer der vier türkischsprachigen Führer des Museums, begleitete uns auf unserem Weg durch das Haus. Er erwähnte die architektonischen Besonderheiten des Gebäudes und informierte umfassend über die Symbolik des Bauwerks, in der der Architekt Daniel Liebeskind das Leiden der Juden zu Zeiten des Holocaust versinnbildlicht hat.
Von oben gesehen erkennt man die Grundform eines zerbrochenen Davidsterns, die architektonische Gesamtheit des Museums stellt gut ersichtlich und fühlbar große Vernichtung, Unruhe und Brutalität dar.
Im Gebäude sind kaum Fenster vorhanden, und durch die wenigen vorhandenen - die wie zerbrochen und wieder geflickt wirken - fällt auch nur gebrochenes Licht.
Im Gebäude verteilt, findet man immer wieder so genannte „voids“, leere Orte, die leere Stellen in der teilweise vernichteten und ausgelöschten jüdischen Kultur und Bevölkerung darstellen.
Die Höhe- und Tiefpunkte der mehr als 2000 Jahre alten jüdischen Kultur und trotz aller Tiefschläge kontinuierlich gelebten Traditionen und Religion geben drei Achsen wieder.
Die erste Achse des neuen Museumsgebäude-Teils stellt die Achse der Kontinuität dar, sie wird von den beiden anderen Achsen geschnitten. Zum einen von der Achse der Emigration, der Flucht, und zum anderen durch die Achse des Holocausts.
Die Achse der Emigration führt in den Garten des Exils mit seinen insgesamt 49 Betonstelen, die mit hoffnungsspendenden Ölweiden bepflanzt wurden.
Die Zahl 49 stellt im jüdischen Glauben eine heilige Zahl dar: Die Auswanderung Moses´ mit seinen Gefolgsleuten von Ägypten nach Israel dauerte laut Altem Testament 49 Tage. Ein schräger Untergrund im Garten zeigt, dass eine Emigration, ein Leben im Exil, zwar Freiheit bedeutet, aber auf unsicherem Boden, auf wackeligen Beinen steht und Angst einflößen kann.
Die Ölzweige haben auch ihre ganz eigene Bedeutung: Es gibt trotz aller Widrigkeiten Leben. Ölweiden sind sowohl in der Thora, in der Bibel als auch im Quran als heilige Bäume angesehen.
Nach der Besichtigung des Gartens führte Herr Topkara die Besucherinnen in den Holocaust-Turm. Dieser Turm suggeriert die Vernichtung, die Auslöschung von 6 Millionen Menschenleben, von 6 Millionen Juden. Im Turm ist es sehr kühl, roher grauer Beton dominiert. Redet man im Turm, folgt ein unbestimmbares, sich in der Höhe verlierendes Echo. Nach Betreten des Turmes schließen sich hinter einem schweren Betontüren, und obwohl Stimmen von außen zu hören sind, sind diese seltsam fern - ein sehr beklemmendes Gefühl, alptraumhaft und erschütternd. Greifbar und doch nicht nachvollziehbar bleibt der beinahe maschinelle Mord an Menschen. Man beginnt zu verstehen, dass die seit Jahrhunderten existierende jüdische Kultur durch die Geschichte Deutschlands eine große Lücke erlitt.
Im zweiten Stock des neuen Gebäudes zeigte Herr Topkara den Besucherinnen die Ähnlichkeiten zwischen der jüdischen und islamischen Kulturen und Traditionen. So ist Schweinefleisch in beiden Religionen verpönt, die Beschneidungen der Jungen in beiden Religionen Sitte - der einzige Unterschied besteht hier beim Zeitpunkt der Beschneidungen kurz nach der Geburt oder im Islam auch Jahre später.
Besonders interessant war die Trennung der Lebensmittel im jüdischen Glauben nach der Thora: „Du sollst nicht das Böckchen in der Milch der Mutter kochen“. Sie kochen, kühlen und essen Milch- und Fleischprodukte getrennt.
Die Besucherinnen hatten auch Gelegenheit, an einer sehr schönen Tradition teilnehmen zu können: Ein Granatapfelbaum steht im jüdischen Museum, und die Frauen durften ihre Wünsche und Hoffnungen auf granatapfelförmige Karten schreiben und an den Baum hängen.
Auch dieser Ausstellungsbesuch wurde durch die Mittel des Quartiersmanagements des Schöneberger Nordens unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind.
Hier finden Sie den ungekürzten Bericht vom Museumsbesuch mit weiteren Informationen als Download (PDF 57 kb).
text (gekürzt): Acimi/Aktas; fotos: Aktas/Kahya