Stellungnahme des Quartiersrats Schöneberger Norden zu Miet- und Wohnungsbaupolitik im Bezirk

(Beschluss des QR am 25.9.2013)

Wichtiges Mitbestimmungsgremium: der Quartiersrat

Die Bewohnerschaft im QM-Gebiet Schöneberger Norden ist sozial gemischt, der Quartiersrat möchte dafür Sorge tragen, dass dies so bleibt. Menschen, die derzeit im Bezirk wohnen, sollen weiterhin hier wohnen können, Nachbarschaften und Strukturen, die in den letzten Jahren – auch mit Unterstützung von QM und QR - gewachsen sind und sich gefestigt haben dürfen nicht gefährdet werden.

In diesem Zusammenhang betrachtet der QR mit Besorgnis die derzeitigen umfangreichen Bautätigkeiten im und in unmittelbarer Nachbarschaft zum QM-Gebiet Schöneberger Norden (z.B. in der Eylauerstraße, Crellestraße, Flottwellstraße …). Hier entstehen ausschließlich von privaten Investoren betriebene, hochpreisige Eigentumswohnungen. Der QR befürchtet dadurch mittelbar - durch Mieterhöhungen unter Bezugnahme auf den Mietenspiegel - Auswirkungen auch auf die Bestandsmieten im QM-Gebiet Schöneberger Norden.

In neueren Gebäuden in der Bautzener Straße können laut Internet-Portal „Immo-Scout“ bereits jetzt Mieten von bis zu 10,- Euro pro m2 verlangt werden. MieterInnen der GEWOBAG im Bülow-Kiez haben kürzlich Mieterhöhungen hinnehmen müssen, bei denen die Nähe zum neuen Gleisdreieckpark eine Rolle gespielt hat. Hält diese Entwicklung an werden Menschen aus Zuwanderer-Familien, RentnerInnen und EmpfängerInnen von Transferleistungen sich die steigenden Mieten künftig nicht mehr leisten können, stattdessen werden Besserverdienende immer stärker im Quartier vertreten sein.

Angesichts der akuten Verdrängungsgefahr (“Gentrifizierung“) fordert der QR

► vom Bezirksamt:


Durch eine kürzlich vom Bezirksamt in Auftrag gegebenen Untersuchung wurde die akute Verdrängungsgefahr für weite Teile des Schöneberger Nordens quasi „amtlich“. Zum Schutz der MieterInnen erwägt der Bezirk deshalb den Erlass einer sozialen Erhaltungssatzung („Milieuschutz“) für Teile des Schöneberger Nordens.

  • Es soll überprüft werden, ob nicht das gesamte QM-Gebiet unter „Milieuschutz“ gestellt werden muss. Sowohl die konkrete Ausgestaltung der Erhaltungssatzung (Prüfkriterien) als auch die Kontrolle ihrer Umsetzung sowie die Evaluation ihres Effekts soll in Kooperation mit der Bewohnerschaft/dem QR erfolgen (transparente und verbindliche Partizipation und Kooperation auf Augenhöhe).

Verdrängungsgefahren, die durch Mieterhöhungen nach Mietspiegel oder als Folge von Mietsteigerung bei Neuvermietungen entstehen, lassen sich durch Milieuschutz nicht beeinflussen. Deshalb muss der Bezirk weitere Maßnahmen zum Schutz vor Verdrängung ergreifen.

  • Das Milieuschutzrecht erlaubt dem Bezirk z.B. ein Vorkaufsrecht auf Grundstücke. Anstatt kommunale Grundstücke und Gebäude wie gehabt meistbietend zu verkaufen sollen diese zum Verkehrswert z.B. an Mietergenossenschaften oder andere, nicht gewinnorientierte Träger vergeben werden.
  • Als unmittelbare Maßnahme soll das Bezirksamt die Anzahl der im Bezirk vorgehaltenen Ferienwohnungen sowie die aktuellen Leerstände im Bezirk erheben und berichterstatten. Im Anschluss muss es konkrete Regelungen zur Vermeidung von Wohnraum-Zweckentfremdungen beschließen.
  • jegliche weiteren Baugenehmigungen für private Investoren sollen ausgesetzt werden, bis eine von Bezirksamt und Bürgerschaft öffentlich und gemeinschaftlich erarbeitete Bedarfsplanung für das Gebiet vorliegt
  • angesichts der bereits erfolgten Bebauungsverdichtung im Gebiet sollen bestehende Grünflächen und Gartenkolonien erhalten werden.
  • Bzgl. der zur Diskussion stehenden Bebauung der „Bautzener Brache“ spricht sich der QR erneut - entsprechend seiner Stellungnahme vom 2.12.2009 - für die Entwicklung als Grünfläche bzw. zur öffentlichen Nutzung aus (z.B. als Gemeinschaftsgärten oder/und zur Errichtung eines Bürgerhauses/Kulturhauses/ Mehrgenerationenhauses mit Cafe).
  • hinsichtlich jeglicher künftiger Bauplanungen im Bezirk sollen BürgerInnen und AnwohnerInnen künftig von Beginn an nicht nur frühzeitig informiert, sondern konkret und verbindlich einbezogen werden.


► von den Wohnungsbaugesellschaften (GEWOBAG, Stadt-und Land etc.)


In das Gebiet „Schöneberger Norden“ als ehemaliges Sanierungsgebiet sind in den 70iger - 90iger Jahren viele öffentliche Gelder geflossen, z.B. zur Unterstützung des sozialen Wohnungsbaus. Im Gegenzug wurden die Wohnungsbaugesellschaften zur Einhaltung sozialer Auflagen verpflichtet.

  • Transparenz und Berichterstattung bzgl. der Einhaltung von dieser sozialen Auflagen in der Vergangenheit
  • Transparenz bzgl. Umfang und Zeitpunkt auslaufender Bindungen im Sozialen Wohnungsbau
  • Transparenz bzgl. der Bestandsmieten in ihren Häusern
  • Transparenz bzgl. ihrer derzeitigen und künftigen Mietenpolitik (inklusive Angaben über Kündigungen/ Kündigungsandrohungen aufgrund von Mietverzugs-Schulden)
  • Transparenz bzgl. des stattgehabten Verkaufs von Gebäuden aus ihrem Bestand und bzgl. ihrer künftigen Verkaufspolitik
  • Transparenz bzgl. ihrer Bauplanung


► vom Berliner Senat:

Mietwohnungen werden zunehmend verkauft und in Eigentumswohnungen umgewandelt.

  • Erlass einer sogenannten Umwandlungsverbotsverordnung: diese Maßnahme ist grundsätzlich für Gebiete mit sozialen Erhaltungsverordnungen möglich, um die Umwandlung in Eigentumswohnungen einzuschränken

Wohnungen lassen sich ohne Mieter gewinnträchtiger verkaufen. Deshalb lassen nicht selten Vermieter Wohnungen leer stehen. Darüber hinaus stehen gerade in den Innenstadtbezirken viele Wohnungen dem regulären Mietmarkt nicht mehr zur Verfügung, sondern werden privat oder über professionelle Agenturen als Ferienwohnungen vermietet. In keiner anderen deutschen Großstadt werden so viele Ferienwohnungen vermietet wie in Berlin.

  • Verabschiedung einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung: hierdurch kann in Milieuschutzgebieten z.B. spekulativer Leerstand verhindert und die Nutzung von Miet- als Ferienwohnungen genehmigungspflichtig gemacht werden.

Weil im zunehmend knappen Berliner Wohnungsmarkt den Eigentümern derzeit Mietsteigerungsquoten ermöglicht werden, die über der Einkommens-Entwicklung liegen, sind Warmmietbelastungen von 50% des Haushalts-einkommens inzwischen nicht mehr selten.

  • Die Senatsverwaltung hat bereits im Mai 2013 einen „angespannten Wohnungsmarkt“ für Berlin festgestellt. Auf dieser Grundlage kann sie – ohne Änderung des Bundesrechts – nach § 5 Wirtschaftsstrafgesetz die Höhe der Miete im Bestand und bei Neuvermietung auf einen, die ortsübliche Vergleichsmiete (Mietspiegel) um 20 % übersteigenden, Wert begrenzen.

Hochpreisiger privater Wohnungsbau ist keine Lösung für Menschen mit schmalem Einkommen. Die auf Senatsebene aktuell diskutierten Wohnungsbau-Förderprogramme richten sich nicht ausschließlich an kommunale oder gemeinnützige Bauträger, sondern ganz ausdrücklich an private Bauherren So wird sozialer Wohnungsbau zu einem Programm der Kapitalsubventionierung mit „sozialer Zwischennutzung“

  • Auflage eines Wohnungsbau-Finanzierungsgesetzes ausschließlich für kommunalen/gemeinnützigen Wohnungsbau mit langfristiger (30 Jahre) Belegungsbindung sowie Netto-Kaltmieten um 5,50 Euro [entsprechend dem aktuellen Mieten-Konzept der Grünen Partei in Berlin/Brandenburg]. Genossenschaftlicher /nicht-profitorientierter Wohnungsbau muss gefördert werden, u.a. durch entsprechende Liegenschaftspolitik des Landes.

U.a. das Auslaufen der Bindungen ehemals geförderter Wohnungen in Berlin hat zu einer kontinuierlichen Verringerung des niedrig-preisigen Wohnungsangebots geführt. Durch eine Novellierung des Berliner Wohnraumgesetzes muss der Bestand der Sozialwohnungen in allen Teilen der Stadt auf Dauer gesichert werden.

  • Senkung der Mieten in kommunalen Wohnungen auf ein Niveau, welches Wohnraum in allen Teilen der Stadt auch für Hartz IV-Empfänger/innen und Rentner/innen zugänglich macht. Weitere Privatisierungen müssen gestoppt werden. Das Land Berlin muss wieder Kontrolle über die soziale Funktion der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften übernehmen.→ z.B. über seine Funktion im Aufsichtsrat


► vom QM:

  • Einrichtung, Förderung und Unterstützung von Mieterbeiräten im QM-Gebiet
  • Förderung und Unterstützung von Anwohner-Initiativen zur Erhaltung der sozialen Mischung /Vermeidung von Verdrängung
text: Quartiersrat Schöneberger Norden