Fragen rund ums Mieten und Wohnen auf dem Sonderpräventionsrat am 26. März 2014

Auf dem Podium: Hendrik Jellema (GEWOBAG), Moderator Uwe Rada, Stadträtin Dr. Sibyll Klotz

Ganz Berlin verändert sich in Sachen "Mieten und Wohnen", und auch am Schöneberger Norden geht diese Entwicklung nicht vorüber: Die Stadt wächst und wird für Investoren immer attraktiver, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen boomt, Mietraum wird knapper, die Mieten steigen. Die Folgen auch für Alteingesessene sind bitter: Sowohl Anwohner/innen als auch Gewerbetreibende laufen zunehmend Gefahr verdrängt zu werden.

So rissen Dr. Sibyll Klotz, Stadträtin für Stadtentwicklung in Tempelhof-Schöneberg, und Moderator Uwe Rada beim Sonderpräventionsrat am 26. März  die Lage vor Ort an. Der große Saal im Jugend- und Kulturhaus PallasT war mit rund 120 Besucher/innen richtig voll - auch das ein Zeichen dafür, wie drängend das Problem ist.

Mit auf dem Podium saß Hendrik Jellema. Als Vorstand der GEWOBAG repräsentierte er eine der städtischen Wohnungsbaugesellschaften - sie unterliegen den Anweisungen aus der Senatsverwaltung und bilden mit ihrem großen Wohnungsbestand eine Art Bindeglied zwischen Politik und Wohnungswirtschaft.
Ephraim Gothe als Vertreter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt fehlte leider auf dem Podium; er war tags zuvor überraschend als Staatssekretär entlassen worden.

Herr Jellema erläutert Standpunkte der GEWOBAG

Etwa 3.000 Wohnungen verwaltet die GEWOBAG im Schöneberger Norden, und Leerstand gibt es im Gegensatz zu früher kaum: "Seit fünf-sechs Jahren hat Berlin richtig Fahrt aufgenommen", so Jellema. Kaum jemand ziehe unter den derzeitigen Vorzeichen noch aus einer einmal gemieteten Wohnung wieder aus, die Mieten auf dem freien Markt lägen bis zu doppelt so hoch wie die in GEWOBAG-Altbauten.

Ein "Mietenbündnis", an das die städtischen Wohnungsbaugesellschaften auf Senats-Anweisung gebunden sind, lege deutliche Grenzen fest: Trotz wirtschaftlichen Arbeitens dürfe der Mietpreis nun maximal 10% über dem Mietspiegel liegen, auch bei Modernisierung gebe es eine Obergrenze von maximal 9% Umlage auf die Mieten. "Das ist für unsere Mieter normalerweise ohnehin zu viel, also bleiben wir drunter", erklärte Herr Jellema. Außerdem könnten sich Mieter an die GEWOBAG wenden, wenn sie nach einer Mieterhöhung mehr als 30% ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssten und so in ihrer Lebensgrundlage gefährdet sind.

"Die GEWOBAG wird im Schöneberger Norden keine Bestände veräußern" versprach Jellema, und betonte die Wichtigkeit von stabilen Nachbarschaften. Lieber würde die Gesellschaft weitere Ankäufe gerade größerer Anlagen tätigen - allerdings sei es nicht möglich, mit Spekulanten unbegrenzt mitzuhalten.

Die Möglichkeiten des Bezirksamts erläuterte Frau Klotz

Ein Mittel, von Bezirksseite dämpfend auf die Preisentwicklung einzuwirken, sei der Erlass von Sozialen Erhaltungsverordnungen, führte Frau Klotz aus. Dieses Instrument des Städtebaus diene auch dazu, die soziale Mischung vor Ort zu erhalten und greife in genau untersuchten Gebieten mit hohem Aufwertungspotenzial. Derzeit sind in Schöneberg Nord zwei solcher Gebiete in genauer Überprüfung, um allen Vergabevorschriften zu genügen: Das eine rund um den Barbarossaplatz, das andere von der Großgörschenstraße bis zum Kaiser-Wilhelm-Platz.

Die Ausweisung der Gebiete sei immer städtebaulich begründet, bestätigte Sigmar Gude von der Fa. TOPOS, der als Fachmann mit den Untersuchungen betraut ist. Eine soziale Erhaltungsverordnung kann Altmieter z.B. vor weiteren (Luxus-)Modernisierungen und Wohnungszusammenlegungen schützen, jedoch greife der Schutz für Mieter nicht bei Neuvermietungen, die lediglich an den Mietspiegel gekoppelt seien.

Aufmerksames Publikum bei den Erläuterungen zur Erhaltungsverordnung

Die Erhaltungsverordnung sei kein Allheilmittel, so deswegen auch die Einschätzung von Frau Klotz. Besseren Schutz würde eine Umwandlungsverbotsverordnung bieten, die verhindert, dass aus Mietwohnungen Eigentum wird - die müsse aber Berlinweit eingeführt werden, was derzeit am Widerstand der CDU scheitere.

Ganz klar sprach sich Klotz für Neubau aus. Das Angebot vor allem an bezahlbaren Mietwohnungen sei einfach zu gering. Allerdings habe der Bezirk auch an dieser Stelle lediglich Einflussmöglichkeiten im Rahmen von Verhandlungen über das Baurecht: Im aktuellen Fall der Bautzener Straße werden mit dem Bauträger Bedingungen über Anteile von Wohnungen mit sozial verträglichen Mieten, öffentliche Wege und mehr ausgehandelt. Doch das Verfahren stehe noch ganz am Anfang. Die frühzeitige Beteiligung von Bürgern ist Klotz dabei wichtig.

Viele Anfragen in den anschließenden Publikumsrunde betrafen die Möglichkeiten der GEWOBAG, Häuser oder Grundstücke zu erwerben. "Wenn Sie erfahren, dass ein Besitzer verkaufswillig ist, macht es durchaus Sinn zu uns Kontakt aufzunehmen", bot Herr Jellema dem Publikum an und reagierte damit auf den Hinweis von Anwohnern das Grundstück Kulmer-/Ecke Alvenslebenstraße betreffend.

Dass die geplante Erhaltungsverordnung in Sachen Verkauf viel bewirke, zeige sich aktuell schon bei einem Fall an der Großgörschenstraße: Dort gebe es derzeit Verhandlungen zwischen der GEWOBAG und dem Eigentümer. Wenn ein Haus meistbietend veräußert werden solle, wie auch in diesem Fall, machten Käufer erfahrungsgemäß häufig einen Rückzieher wegen der für sie hinderlichen Einschränkungen durch die Verordnung.

Problematisch sah Jellema die Idee, gemeinsam mit Mietern ein Haus zu erwerben. Und auch Neubauvorhaben stünden momentan nicht auf dem Plan der GEWOBAG - weswegen sie sich auch nicht mit den Baulücken an der Bautzener Straße befasse.

Ein Thema, bei dem es gerade große Veränderungen gebe, sei die Asbestsanierung. Die Anwohner hatten sich immer wieder, so auch beim Sonderpräventionsrat, über die nicht fachgerechte Entsorgung von asbesthaltigen Materialien aus ihren Wohnungen beschwert, Verbesserungen hätten sich nicht ergeben. Doch, so Jellema, neue Vorschriften forderten eine neue Sanierungspraxis - aktuell würden Fachbetriebe gesucht, die diesen Vorgaben genüge tragen. Bei Verstößen gegen Gesundheitsbestimmungen sei die Gesellschaft jedoch nach wie vor auf Meldungen angewiesen.

Mehrmals beklagten Anwesende, dass unbebaute Grundstücke an der Bautzener Straße nicht zu attraktiven Grünflächen weiterentwickelt, sondern bebaut würden. Dazu wies Frau Klotz darauf hin, dass auf dem nahe gelegenen Gleisdreick-Gelände und entlang der "Schöneberger Schleife" neue Parkanlagen entstanden seien.

"Es ist nicht möglich, die Veränderungen aufzuhalten, wir können höchstens den aktuellen Zustand konservieren", so ihre Einschätzung in Sachen Mieterschutz. Das funktioniere zum Beispiel durch die Erhaltungsverordnungen oder auch durch Belegungs-Überprüfungen - aber der Bezirk können nun mal keine Gesetze erlassen.

QR-Mitglied Matthias Bauer vertritt Meinungen und Wünsche den Anwohner/innen

Matthias Bauer komplettierte in der Diskussionsrunde als Vertreter des Quartiersrats das Podium. Er stellte aus Bewohnersicht eine Reihe von Forderungen vor - unter dem Motto: "Wenn wir der Meinung sind, wir könnten nichts verändern, dann können wir die Veranstaltung hier auch schließen."

Die Soziale Erhaltungsverordnung - möglichst gefolgt von einem Umwandlungsverbot - müsse ausgedehnt werden, so ein Hauptpunkt, denn alle Gebiete rund um den neuen Gleisdreieckpark seien von Gentrifizierung und steigenden Preisen betroffen.

Bauer kritisierte auch den rein private Gewinn um das bis zu zehnfache, wenn wie im Fall der Bautzener Brache Grünfläche in Bauland umgewandelt werde. Da eine Mietbindung für lediglich fünf Jahre herauszuhandeln, sei einfach zu wenig.
Außerdem mahnte er an, die Umnutzung von Wohnungen in Ferienwohnungen besser zu beobachten: "Im Internet werden etliche Adressen als Unterkünfte angeboten, das Bezirksamt sagt, das gebe es hier nicht."
Und wenn schon Neubau, dann bitte nicht, wie aktuell am Kleistpark geplant, ein weiteres Hotel - sondern die für so wichtig erachteten Mietwohnungen.

"Der Druck steigt", so beschrieb Bauer auf Nachfragen des Moderators das Grundgefühl, das sich auch durch die Wortmeldungen aus dem Publikum gezogen hatte. Das Interesse an Mieterschutz und der gesamten Wohnraum-Thematik ist groß, das zeigten auch die vielen Grüppchen, die sich noch lang nach Ende des Treffens im angeregten Gespräch befanden.

Ganz kurz stellte zum Abschluss noch Herr Beyer von der Organisationsberatung SOCIUS das neue Projekt "Empowerment im Quartier" vor: Sich einmischen, mitreden, Ideen für die Zukunft des Stadtteils entwickeln, zum Wohnen ebenso wie zu vielen anderen Lebensbereichen - darum geht es in einem zweijährigen Austausch- und Diskussionsprozess, zu dem er alle Anwesenden herzlich einlud.

text/fotos: Susanne Wolkenhauer