Gegen die Schließung der Stadtteilbücherei: Großes Interesse am Sonderpräventionsrat zum neuen Bibliothekskonzept

Großes Interesse am Thema "Stadtteilbibliothek"

Der Stadtrat für Schule, Bildung und Kultur, Herr Dieter Hapel war am 27.09.2011 mit Dr. Engelbrecht Boese, dem Leiter der Stadtbibliothek in den Schöneberger Norden gekommen, um das neue Bibliothekskonzept zu präsentieren und vor Ort zu diskutieren. Frau Angelika Schöttler, noch Stadträtin für Jugend, Familie, Sport und Quartiersmanagement, hatte gemeinsam mit dem Team-QM zu einem Sonderpräventionsrat eingeladen und führte durch den Abend.

Wer gedacht hatte, dass das Thema Gertrud-Kolmar-Bibliothek nicht viele im Schöneberger Norden interessiert, wurde spätestens an diesem Abend eines besseren belehrt, denn Bewohner/innen und Akteure waren zahlreich vertreten, das Publikum war bunt gemischt. Und die vorgenommenen eineinhalb Stunden waren am Ende knapp bemessen.

Zahlreiche Bewohner/innen kamen, um sich für ihre Bibliothek einzusetzen: Junge Mütter mit Kindern, Schüler und Studenten, Jugendliche, Eltern und Großeltern. Im Saal saßen Vertreter/innen der Bildungseinrichtungen und Lernorte im Stadtteil, Schul- und Kitaleiter/innen, Vertreterinnen des Jugendamtes, Mitglieder der BVV Tempelhof-Schöneberg und des Abgeordnetenhauses von Berlin, Quartiersräte, Bildungsnetzwerker.

Stadtrat Hapel, Stadtbibliotheks-Leiter Dr. Boese und Stadträtin Schöttler auf dem Podium

Sie wollten sich über die Pläne für die Stadtteilbibliothek informieren, ihr Interesse für die Einrichtung zeigen und erklären, warum die Bibliothek für den Stadtteil wichtig ist. Viele warfen ihre Argumente für den Erhalt der Gertrud-Kolmar-Bibliothek in die Waagschale.

Das Kiezvideo über die „Gertrud-Kolmar-Bibliothek“ von Filmemacher Bertram von Boxberg machte bereits zu Beginn der Veranstaltung deutlich, wie positiv sich die Bibliothek in den letzten Jahren entwickelt hat und welche Möglichkeiten sie dem Stadtteil und seinen Bewohner/innen bietet.

Anschließend stellten Herr Hapel und Herr Dr. Boese das Konzept vor. Im Mittelpunkt steht die Eröffnung einer großen, attraktiven Zentralbibliothek in dem Gebäude des ehemaligen Kaufhaus Hertie auf einer angemieteten Fläche von 3.400 m². Die "Theodor-Heuss-Bibliothek" soll dorthin verlagert, die Interkulturelle "Gertrud-Kolmar-Bibliothek" in der Pallasstraße soll geschlossen werden. Die Interkulturelle Bibliothek würde an den neuen Standort umziehen. So soll die Stadtbibliothek insgesamt fit gemacht werden für die Zukunft und in der  Konkurrenz um Finanzen zwischen den Berliner Stadtbibliotheken erfolgreich sein. Denn nur über steigende Besucherzahlen und Entleihungen kann das Budget der Stadtteilbibliothek wachsen. 

Zuhörer/innen meldeten sich zu Wort ...

In der dann folgenden Diskussion wurde vor allem kritisiert, dass die Begründung für die Schließung der Gertrud-Kolmar-Bibliothek rein fiskalischer Natur sei. Auf die Situation vor Ort und die Bedürfnisse der Bewohner/innen würde keine Rücksicht genommen. Es fehle auch im Vergleich mit anderen Stadtteilbibliotheken der Blick auf die besondere Situation im QM-Gebiet Schöneberger Norden und die sich daraus ergebenden Bedarfe in Sachen Bildung. Hier müssten besondere Ansätze verfolgt werden, die sich durch eine kleinteilige, wohnortnahe und sozialraumorientierte Ausrichtung in die Bildungslandschaft einfügen. Zentralisierte Angebote könnten diesen Bedarfen nicht gerecht werden.

... und ernteten für ihr Argumente "pro Bücherei" großen Beifall.

Mit der Interkulturellen Bibliothek sei in den letzten Jahren ein mittlerweile wichtiger Bestandteil der Bildungslandschaft im Schöneberger Norden entstanden und gewachsen. Die Einrichtung wird nicht nur von den Kitagruppen oder Schulklassen gerne besucht, sondern auch von Bewohner/innen des Stadtteils gut angenommen. Gerade die kurzen Wege seien im Stadtteil von existentieller Bedeutung. Hier leben immer noch viele Menschen, die an die Bildung und das Lesen herangeführt werden müssten, die keine weiten Wege zurücklegen und auch ihren Kindern keine weiten Wege erlauben. Nur so seien erfolgreiche Elternarbeit, kleinteilige Kooperationen und ehrenamtliches Engagement möglich - wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bildungsarbeit in einem benachteiligten Quartier. Da nütze es auch nichts, wenn die 1,3 Kilometer Entfernung zum Hertie-Standort im internationalen Vergleich als zumutbar eingeschätzt werden.

Leider hatten Herr Hapel und Herr Dr. Boese an diesem Abend wenig konkrete und keine neuen Antworten auf die drängenden Fragen aus dem Stadtteil mitgebracht. Die Bitte, gemeinsam am Erhalt der Gertrud-Kolmar-Bibliothek zu arbeiten, blieb unerhört.

Und so bleibt abzuwarten, wie die weitere Diskussion über das Konzept verläuft und wie am Ende die Bezirksverordnetenversammlung von Tempelhof-Schöneberg darüber entscheiden wird. Das Konzept wird derzeit in verschiedenen Fachausschüssen der BVV diskutiert, so dass eine sehr kurzfristige Entscheidung nicht zu erwarten ist. Sicher wird auch im Schöneberger Norden die Diskussion weitergehen.

Am Ende der Veranstaltung übergab eine Bewohnerin aus dem Pallasseum eine Unterschriftensammlung für den Erhalt der Bibliothek an Herrn Hapel, an der sich viele Menschen aus dem Schöneberger Norden beteiligt hatten. Auch diese Unterschriftensammlung wird weitergehen.

- Hier finden Sie wie auf dem Sonderpräventionsrat angekündigt die Mitschrift zur Veranstaltung und die Stellungnahme zum Bibliothekskonzept.

text: Pulm; fotos: Lippert