Warum ich lieber einen QR wähle als einen Bundespräsidenten

Ein vergleichender Aufsatz von Bertram von Boxberg

Zwei wichtige Wahlen innerhalb von zwei Tagen: Am 30. Juni die Bundespräsidenten (BuPrä) Wahl, und nur einen Tag später die QR Wahl. Zwei für die Zukunft unseres Landes und unseres Kiezes außerordentlich wichtige Ereignisse, und da sei die Frage erlaubt: Welche Wahl war denn nun besser?

Klar: Auf ersten Blick war die BuPrä Wahl viel eindrucksvoller.
Sie fand im repräsentativen Plenarsaal des Deutschen Reichstages statt, die QR Wahl in der Mensa der Sophie Scholl Schule. Im Reichstag hatten sich 1244 Menschen versammelt um zu wählen, in die Mensa in der Pallasstraße waren nur etwa 100 Menschen zum Wählen gekommen.
Aber sind das nicht nur Zahlenspiele, Äußerlichkeiten? Ist deshalb die BuPrä Wahl besser als die QR Wahl? Schauen wir uns das Ganze mal genauer an.

Um bei der BuPrä Wahl mitmachen zu dürfen, musste man/frau erstmal ein volles Stressprogramm absolvieren: Zuerst musste man sich einen deutschen Pass besorgen, dann ein Bundestagsmandat ergattern oder zumindest zum Promi mutieren, um als Wahlmann oder Wahlfrau aufgestellt zu werden. Im Schöneberger Norden war das viel einfacher, viel demokratischer: Hier wohnen und vorbeikommen, und schon konnte man/frau mitwählen. Deutscher Pass war egal.

In Bezug auf die Kandidaten kann die BuPrä Wahl mit der QR Wahl ja nun überhaupt nicht mithalten. Im Reichstag gab es gerade mal drei Kandidaten und einen Nazi Kandidaten. Armselig! Anders in der Mensa: Dort stellten sich 26 Kandidaten zur Wahl und Nazi Kandidaten gab es überhaupt nicht.

Aber das ist ja auch klar, warum die so wenig BuPrä Kandidaten gefunden hatten. Ist ja auch voll mühsam, wer will sich das schon antun? Als BuPrä Kandidat muss man auch so einen deutschen Pass haben, muss über 40 sein und von irgendeiner politischen Clique vorgeschlagen werden. Wer will das schon? Bei den QR Kandidaten/Kandidatinen war der Pass egal, und wenn man 16 Jahre alt war konnte man/frau sich selbst aufstellen. Das ist einfache, bürgernah gelebte Demokratie.

Schauen wir uns nun den Wahlvorgang an:
Obwohl es in der Mensa 8 mal so viel Kandidaten/Kandidatinen gab wie im Reichstag, ging die QR Wahl in gerade mal in 2 Stunden zackig über die Bühne. Anders im Reichstag. Mit ihren gerade mal drei Kandidaten quälten die sich und die Fernsehzuschauer 9 Stunden lang über drei mühsame Wahlgänge. Hätten die im Reichstag 26 Kandidaten gehabt, dann hätte das Ganze sicherlich 78 Stunden gedauert.

Und während in der Mensa alle Wähler/innen frei nach Gewissen, Lust und Laune wählen durften, wurde im Reichstag immer wider versucht, Einfluss auf das Abstimmungsverhalten zu nehmen. So intervenierte die Kanzlerin und verglich die Wahl zum BuPrä mit Fußballspielen gegen Serbien und gegen England. Auf dieses Niveau sackte die QR Wahl niemals ab.

Und überhaupt: Nachdem die BuPrä Wahl beendet war, gab es noch tagelangen Zoff, warum wer wen und wer wen nicht gewählt hatte. Verdächtigungen, Unterstellungen, abenteuerliche Hitler-Stalin Vergleiche verpesteten das Klima. Da wird es der neue BuPrä schwer haben, seinen Job anständig zu machen. Anders nach der QR Wahl: Wähler/innen und neue Quartiersräte standen friedlich in konstruktivem Gespräch vor der Mensa, allen war anzusehen, dass sie sich auf die Arbeit im neuen QM freuen. So muss das sein!

Der Fairness halber seien aber auch noch einige Punkte erwähnt, bei denen die BuPrä Wahl viel besser war als die QR Wahl: Das Catering im Reichtag war üppiger, die Rede von Herrn Lammert war lustiger als die von Herrn Pulm und die Bundeskanzlerin war pünktlicher zum Wahltermin erschienen als die Stadträtin. Aber das sind alles Dinge, die sich bei der nächsten QR Wahl leicht ändern lassen.

Das einzig gute an der BuPrä Kür ist, dass die nächste Wahl erst in 5 Jahren droht, während wir den nächsten QR schon in 2 Jahren wählen dürfen. Naja, das mit den 5 Jahren ist ja so sicher auch nicht. Denn während der QR seine Arbeit von Anfang bis Ende tapfer erledigt, neigen Bundespräsidenten ja manchmal dazu, einfach keinen Bock mehr auf den Job zu haben. Aber das ist ja auch verständlich: So ein Bundespräsident kann ja außer schöne Reden zu halten nicht viel ausrichten, ein QR hingegen kann die Zukunft des Kiezes aktiv mitgestalten.

Die Frage, ob Herr Wulff in der Mensa in den QR gewählt worden wäre oder nicht, möge sich jeder selbst beantworten.

text: Bertram von Boxberg