Vermittlung, Hilfe und Kreativität am Straßenstrich

„Die ärztliche Betreuung ist für mich sehr wichtig, und auch, dass ich im Olga Kondome  bekomme“, sagt Claudia*. Seit 15 Jahren besucht sie den Treff für drogenabhängige und sich prostituierende Frauen regelmäßig – ebensolang hat sie als Prosituierte Erfahrung mit dem Straßenstrich an der Kurfürstenstraße. „Aber das ist auch nicht mehr, wie es mal war“, meint sie. Mehr Stress, weniger von dem verrucht-anregenden Flair, und die Frauen stünden viel mehr als früher unter dem Druck, sich Zuhältern und Freiern anzupassen – auch wenn das Arbeit ohne Präservativ heißt.

Diesen Wandel hat Mera* nicht direkt erlebt: Sie steht erst seit zwei Jahren an der Kurfürstenstraße  vor dem Frauentreff und verdient sich so das Geld für Wohnung und Lebensunterhalt, hilft aber auch ihrer Familie zuhause in Osteuropa. Dass viele Frauen ohne Kondome arbeiten, bekommt sie täglich mit und findet es sehr gefährlich: „Die Freier gehen zu einer, die es ohne Kondom macht, und stecken dann uns andere an“, sagt sie und wünscht sich mehr Kontrolle. Umso wichtiger die gesundheitliche Unterstützung im Olga, wo sie auch einfach hin kommt, um sich zu entspannen. Vom dauernd Deutsch Reden, vom dauernd auf Zack und freundlich Sein. Nein, in fünf Jahren, da ist sie sicher nicht mehr hier!

- An die dreißig Zuhörer/innen, die meisten von ihnen weiblich, saßen Ende April im Olga und lauschten den Erzählungen der Frauen von der Straße, die ihre ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten mitbringen.
Das Olga-Team um Michaela Klose hatte eingeladen, als Dank an alle, die die Einrichtung in den vergangenen Jahren finanziell oder mit eigenem Einsatz unterstützt hatten: Mittel kamen unter anderem aus dem Programm Soziale Stadt über die Quartiersmanagements Tiergarten Süd und Schöneberger Norden, aus weiteren Förderprogrammen und über den Bezirk Mitte. Seit 2010 gibt es zusätzliche Mittel über den integrierten Gesundheitsvertrag und aus dem Förderprogramm zur Stärkung der Fraueninfrastruktur. Kooperationen bestehen zu zahlreichen Einrichtungen aus dem Prostitutions- und Drogenhilfebereich, nicht zu vergessen die vielen ehrenamtlich Engagierten.

Dass einige Besucherinnen des Treffs bereit waren, hier vor Nicht-Kunden etwas von sich preiszugeben, zeigt ihr großes Vertrauen ins Olga-Team: Nein, hier werden keine Fotos von ihnen gemacht, die sie erpressbar machen (weil die Familie denkt, das Geld käme vom Kellnern), nein, sie werden nicht schief angeschaut, weil sie auf dem Strich arbeiten. Und ihre Erfahrungen und Probleme werden ebenso wie ihre Meinung ernst genommen. Danke dafür an dieser Stelle nochmals an die Prostituierten, die sich das – bestimmt entgegen vieler anderer Erfahrungen - getraut haben: Hut ab.

Die Arbeit im Treff „zum Anfassen“ vermitelten auch die anschaulichen Berichte der Sprachmittlerinnen von ihren sehr unterschiedlichen Kontakten: Sie machen zu dritt klassisches Streetwork auf Ungarisch, Polnisch, Russisch, Rumänisch und in noch weiteren Sprachen.
Diese Art von Streetwork zu entwickeln hat seine Zeit gedauert. Die Kontaktaufnahme der Streetworkerinnen zu den Frauen war gerade zu Beginn des Sprachmittlerinnen-Projekts im Jahr 2007 nicht einfach: Die Prostituierten hatten Angst, sie würden an die Polizei verraten oder  nachhause geschickt.

Auf einem erzählten Rundgang führten die Sprachmittlerinnen das Publikum entlang der Kurfürstenstraße zu Stationen an der Ecke Frobenstraße, vor dem LSD-Sexkaufhaus (wo viele Bulgarinnen stehen), zu Ungarinnen und Deutschen am Kiosk-Café Adler gegenüber.
Probleme wie Alkohol- und Drogenkonsum – mal beim Freier probiert und rasch in die Abhängigkeit gerutscht – oder Obdachlosigkeit betreffen entlang dieser Stationen nicht nur Einzelne. Und die ausländischen Frauen haben zusätzlich Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache, der anderen Mentalität, dem unbekannten Ärzte- oder Rechtssystem.

Viele der Osteuropäerinnen ernähren so ihre Familien zuhause. Aber sie stehen auch aus denselben Gründen wie die deutschen Frauen auf der Straße: Die eine verdient sich das Geld fürs Studium, die andere für den persönlichen Luxus oder die Drogen, manche unabhängig, manche mit Zuhälter.
Einfach ist es in keinem Fall, und da bietet das Olga einen festen Anlaufpunkt für derzeit 40 bis 70 Frauen pro Abend. Essen, medizinische Verpflegung und kostenfreie Kondome, Vermittlung bei Streit untereinander oder mit den Anwohnern, die Kleiderkammer, Infos zu medizinischen Angeboten und zu Prävention – gegen HIV ebenso wie gegen Drogen – und natürlich der Austausch untereinander: Das alles gehört zum gut akzeptierten Angebot, wie die Erzählungen aus der Praxis ganz klar machten.

Dazu kommen einzelne Projekte wie etwa das Präventionsspiel, das über Gesundheit, Drogen, Sicherheit oder auch Standplätze aufklärt – spielerisch, nicht wie das Ordnungsamt.
Doch die Arbeit im Olga geht über die Themen Sexarbeit/Drogen weit hinaus: Seit einiger Zeit ist auch „Kunst“ im Angebot. Einige Frauen haben Flächen des Kiezmosaiks an der Elisabeth-Klinik mitgestaltet, wichtig ist für viele Besucherinnen auch das Projekt „Dreamvision“, wo sie seit 2008 gemeinsam mit der Malerin Anita Staud Gruppengemälde erstellen (das gehört inzwischen sogar zum Weihnachtsfest-Programm) oder selber ganz individuell zeichenen und malen.

„Wir werden weiterhin versuchen, möglichst viele Frauen mit unseren Angeboten zu erreichen und die, die drogenabhängig sind, möglichst zum Ausstieg aus der Sucht zu bewegen“, formuliert Frau Klose vom Olga die Zukunftspläne. Daneben stehe, Angebote zur Fortbildung weiterzuentwickeln, denn ohne Qualifizierung gibt es zum Strich für viele keine berufliche Alternative. „Wichtig ist auch der Kontakt zu helfenden Organisationen in den Herkunftsländern, da sind wir im Aufbau.“

Einen gutenTeil der Arbeit wird auch zukünftig die Vermittlung zwischen den Frauen selbst ausmachen  und die Aufgabe, den Prostitutierten die Wünsche der Anwohner klar zu machen. Denn das Gewerbe auf der Straße so zu gestalten, dass es möglichst konfliktfrei abläuft – auch das ist und bleibt eines der Hauptziele.

- Weitere Informationen zum Frauentreff Olga finden Sie auch auf potseblog.de!

text: wolk