Jugend Museum - Schöneberg Museum: Ausstellung „Voices of Help – Eine dokumentarische Klanginstallation von Paul Brody“ mit Rahmenprogramm

Blick in die Ausstellung Voices of Help während der Eröffnung am 24.11.2016; Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg


Voices of Help – Eine dokumentarische Klanginstallation von Paul Brody

Wie klingt eine menschliche Stimme – jenseits von Worten? Der amerikanische Künstler Paul Brody arbeitet mit Interviews zu gesellschaftlichen Themen und komponiert daraus Musik. In seiner neuen Klanginstallation „Voices of Help“ im Schöneberg Museum stellt er in drei audiovisuell inszenierten Räumen Frauen und Männer vor, die sich für Menschen in Not engagieren.

Seit mehr als 20 Jahren lebt der international arbeitende Komponist, Musiker und Installationskünstler Brody in Schöneberg. Auf den Wegen durch seinen Kiez fiel ihm die große Vielfalt an sozialen, selbstverwalteten Unterstützungsprojekten für Menschen in Notsituationen auf. Er begann vor Ort zu recherchieren, besuchte Akteur_innen dieser Einrichtungen, machte Interviews, sammelte Geschichten – um diese anschließend zu dechiffrieren und für sein Projekt „Voices of Help“  in eigene Klangkompositionen zu übersetzen.

In vielen seiner künstlerischen Werke geht Paul Brody der Frage nach, wie Melodie und Rhythmik einer Sprache in Musik überführt werden können. Seine Kompositionen basieren häufig auf Recherchen und Interviews, die er mit Menschen zu unterschiedlichen Themen führt. Oft geht es dabei um das Thema Identität. Seine Experimente in diesem Feld hat er in den letzten Jahren in verschiedenen Klanginstallationen öffentlich vorgestellt, etwa im Jüdischen Museum in Berlin zum Thema Heimat oder jüngst im Sommer 2016 mit zwei Klanginstallationen in den Münchener Kammerspielen als Artist in Residence.

Im Schöneberg Museum bespielt Paul Brody drei Ausstellungsräume. Der erste Raum empfängt Besucher_innen mit einer Soundcollage. Hier steht die Frage nach der persönlichen Motivation der 10 Interviewten im Mittelpunkt, ihre Motive für soziales Engagement, die persönliche Ideale, die den Grundstein für die Professionalisierung der eigenen sozialen Arbeit gelegt hat.

Im zentralen Raum der Installation versammelt er Interviews der 10 Gesprächspartner_innen, die einen Einblick in ihren praktischen Berufsalltag geben:  in das Selbstverständnis der Helfenden, ihre Haltung, ihre methodischen Zugänge und in ihre „tools“, wie Paul Brody sagt. Ihre Geschichten hört er als Wortmusik, identifiziert in der einen Stimme ein C-Dur, in der nächsten ein D-Moll, ordnet jeder Person ein Instrument zu, komponiert einen begleitenden Sound, der behutsam begleitet, mit der Wahl des Tempos auch kommentiert, die emotionale Qualität  der Stimme unterstützt, manchmal auch Stille füllt. Keine dramatische Musik, sondern ein zusätzliches akustisches Element, das die Stimmen der Helfenden zu einem klanglichen Ganzen verbinden will.

Der dritte Raum widmet sich der aktuellen Kultur des Helfens im ehrenamtlichen Feld. Paul Brody fragt hier: Was treibt diese Menschen?  Welche Erfahrungen machen sie mit dieser außergewöhnlichen Form des Helfens? Welche Enttäuschungen, Dissonanzen sind damit verbunden, wenn die, denen geholfen wird, sich anders verhalten als erwartet?

In seine dokumentarische Klanginstallation hat Brody, unterstützt von Dirk Hasskarl (Fotografie) und Patric Sperlich (Ausstellungsgestaltung), auch visuelle Elemente integriert. Etwa eine große Aufnahme eines Klassenzimmers der sozialen Frauenschule von Alice Salomon aus dem Jahr 1929, auf die Brody bei seinen  künstlerischen Recherchen stieß, und die hier auf die historische Kontinuität der Sozialarbeit verweist. Der zentrale Raum lädt mit zwei halbkreisförmigen Sitzelementen und zehn Kopfhörern zum Verweilen und Eintauchen in die verschiedenen Interviews und Klangcollagen ein. An den nachtblauen Wänden schweben Satzfragmente aus den Interviews – Schlüsselbegriffe, emotionale Momente, Gedanken, Fragen – locker angeordnet in einem Raster, das an Notenlineaturen erinnert.

Während Dirk Hasskarls Fotografien und Videoloops von Händen visuell die unterschiedlichsten Türen zu den Interviewten öffnen, gewährt Paul Brody im letzten Raum in einer gestalteten Vitrine einen berührenden Einblick in seine eigene Familiengeschichte und letztlich den Impuls für diese Arbeit. Seine jüdische Mutter musste mit 13 Jahren aus Österreich vor der Verfolgung durch die Nationalsozialisten fliehen. Sie überlebte Dank eines von Quäkern organisierten Kindertransportes von Wien nach England, wo zwei Schwestern sechs Jahre lang für sie sorgten. Ein etwa 13 Jahre altes syrisches Mädchen, dem Brody bei seinem Einsatz  in einem Berliner Geflüchtetenlager begegnete, weckte diese Erinnerungen.


Begleitprogramm im März

Sonntag, 5. März 2017 um 11 Uhr und Sonntag, 12.3.2017 um 14 Uhr

Ambivalenz des Helfens – Ein Stadtspaziergang zur Geschichte der Fürsorge in Schöneberg mit Stefan Zollhauser


Warum war Alice Salomon so bedeutend? Was bedeutet „Soziale Mütterlichkeit"? Und wann gab es Bambule am Kleistpark? Schöneberg war während des 20. Jahrhunderts ein Zentrum für fortschrittliche Pädagogik und Wohlfahrtspflege. Auf unserem Stadtspaziergang lernen wir Pionierinnen kennen, beschäftigen uns mit Eigeninitiative und Protest und erkunden die Rolle der Frauenbewegung. Dabei thematisieren wir auch die Ambivalenz von Hilfe und Kontrolle sowie die Gefährdungen Sozialer Arbeit durch Ausgrenzungspolitik und zunehmende Ökonomisierung.

Treffpunkt:  Karl-Schrader-Straße, Ecke Barbarossastraße.


Freitag 31. März 2017 um 18:30 Uhr

Voices of Help - Finissage & Konzert - Paul Brody’s Sadawi


Mit einer spannenden Mischung aus Jazz und New Jewish Music Elementen verabschiedet sich Paul Body zur Finissage von „Voices of Help“ in einem Preview-Record-Release Konzert aus dem Schöneberg Museum. Mit seiner Band Sadawi spielt er an diesem Abend ein Set aus seiner neuen CD Vanishing Night. Eine schöne Gelegenheit, Paul Brody in der Ausstellung auch noch einmal live als einen herausragenden Musiker und Komponisten zu erleben! Für seine letzte Jazz-Lyrics-CD Behind all Words, ein „Rose-Ausländer-Projekt“ mit Clueso, Meret Becker und Jelena Kuljic, erhielt er den Preis der Deutschen Schallplattenkritik.

 
Workshop für Schulklassen - Sound of Help

Für Klassenstufen 5 bis 13, ein- und zweitägig.


Kinder und Jugendliche erkunden die Ausstellung und machen sich Gedanken über gegenseitiges Helfen. Im Gespräch mit dem Künstler Paul Brody formulieren sie eigene Erlebnisse und Erfahrungen. Die von ihnen erzählten Geschichten werden aufgenommen und abschließend in die Ausstellung integriert.

Infos und Anmeldung: Tel. 030 90277-61 63, museum[at]ba-ts.berlin[.]de 

 

Sonderausstellung  im Schöneberg Museum I Jugend Museum

Voices of Help  Eine dokumentarische Klanginstallation von Paul Brody

Ausstellung vom 25. November 2016 bis 02. April 2017


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Öffnungszeiten: Sa-Do 14 bis 18 Uhr,  Fr 9 bis 14 Uhr

Gruppen Mo- Fr 9 bis 13 Uhr nach Voranmeldung

text/grafik: Jugend Museum