Großes Interesse und kritische Fragen bei der Erörterungsveranstaltung zum geplanten Kurfürstenzentrum

Aufmerksame Zuhörer: Dr. Haas als Vertreter des Investors erklärt die Planungen

Dass so viele Leute kommen würden – damit hatte wohl kaum jemand gerechnet: Am 9. August 2012 hatte der Quartiersrat Magdeburger Platz – Tiergarten Süd zur öffentlichen Erörterungsveranstaltung in Sachen geplantes Kurfürstenzentrum geladen, und gut 140 Anwohnerinnen und Anwohner, Vertreter des örtlichen Gewerbes und aus der Bezirkspolitik sowohl von Mitte als auch von Tempelhof-Schöneberg und weitere Interessierte hatten den Weg in den Gemeindesaal der 12-Apostel-Gemeinde gefunden.

Aktueller Anlass der Veranstaltung war der nächste Schritt in Richtung Bebauungsplan-Änderung. Noch ist der heutige Möbel-Hübner-Parkplatz als Grünfläche eingetragen, seit 2006 jedoch besteht die Planung für ein mehrgeschossiges Parkhaus mit ebenerdigen Gewerbeflächen an dieser Stelle. Noch bis zum 22. August können Bürgerinnen und Bürger unter anderem im QM-Büro Tiergarten Süd an der Pohlstraße die bezirklichen Pläne einsehen und ihre Anregungen dazu schriftlich per Post oder online abgeben.

Eingeladen hatte der Quartiersrat Magdeburger Platz - Tiergarten Süd

Schon im Vorfeld hatten die Quatiersräte Magdeburger Platz und Schöneberger Norden Stellungnahmen zu den Planungen abgegeben. Sie bemängeln, dass so gut wie nichts von den Anregungen, die auf einer ersten Diskussionsrunde im Jahr 2008 zur Sprache gekommen waren, in die heutigen Planungen eingeflossen sind.

Dem widersprachen Dr. Haas als Vertreter des Investors und ein Mitarbeiter des beauftragten Planungsbüros: Es gebe ein umfassendes Sicherheitskonzept, um die befürchtete Ausweitung bzw. Nutzung der Parkdecks als Vollzugsplätze für die ansässige Straßenprostitution zu unterbinden.
So soll klassische Musik dazu beitragen, die Freier von den Parkdecks fern zu halten. Auffällig uniformiertes Sicherheitspersonal, vom Investor selbst angestellt, soll Präsenz im Parkhaus zeigen und auch per Video die Stellplätze im Blick haben. Parkdeck-Teile, die temporär nicht genutzt werden, könnten abgetrennt und somit für Fremdnutzung unzugänglich gemacht werden.

Was ist vor Ort geplant? Darüber informierten sich die Besucher/innen schon vor der Veranstaltung.

Dass an dieser Stelle ein Nahversorgunszentrum entsteht – und nicht etwa, wie von Anwesenden befürchtet, nur der Verkaufswert des Grundstücks durch das Baurecht aufgewertet wird -, dafür sorgten Vorverträge mit zukünftigen Gewerbemietern: Diese Verträge mit Ketten wie Kaisers, Netto oder dm treten, so Dr. Haas, inkraft, sobald das Baurecht erteilt ist.

Ob solche „Vollsortimenter“ - also großflächige Läden mit einem entsprechend vielfältigen Angebot – positiv für das Gebiet sind, darüber bestanden Zweifel: Durch sie könnte der kleine Einzelhandel im Kiez verdrängt werden, so die Befürchtungen. Und ob sie an dieser Stelle wirtschaflich über die Runden kämen, ließe sich angesichts der geringen Kaufkraft im Quartier bezweifeln.
Ohnehin sei die Grundlage für das Konzept veraltet, so ein weiterer Kritikpunkt: Die Verträglichkeitsanalyse stamme aus dem Jahr 2006, die inzwischen eingetretenen und zukünftig zu erwartenden Veränderungen blieben unberücksichtigt.

Die Anwesenden ergriffen die Gelegenheit, ihre Einwände und Anregungen vorzubringen

Ohnehin seien die Parkhaus-Planungen überdimensioniert, so trugen Stimmen aus dem Publikum Anmerkungen aus den Stellungnahmen der beiden Quartiersräte nochmals vor: Schon der jetzige Möbel-Hübner-Parkplatz und die dazu gehörige Tiefgarage würden keinesfalls als Stellflächen benötigt, die Gefahr einer Nutzung als Vollzugsplatz für die Prostitution sei auch durch das vorgestellte Sicherheitskonzept nicht gebannt. Und „Nahversorgungszentrum“ heiße ja auch, dass die Leute eben nicht mit dem Auto von weit her zum Einkaufen kämen.
Entweder solle man die Gegend durch Vollzugsboxen auf den Decks von der öffntlich praktizierten Prositution entlasten, oder statt der Parkdecks doch lieber gleich dringend benötigten günstigen Wohnungs-Mietraum errichten.

So soll die Fassade des Kurfürstenzentrums aussehen

Was völlig fehle, seien planerische Zusammenhänge für das gesamte Gebiet, so ein gewichtiger Kritikpunkt: Der vierstöckige Bau würde den 12-Apostel-Kirchvorplatz entscheidend einengen, statt einer Belebung der Straße beispielsweise durch Gestronomie mit Tischen auf dem Bürgersteig gebe es eine geschlossene unschöne Fassade. Auch das Verkehrsaufkommen und der Verkehrslärm würden sich durch Besucher und Lieferverkehr erhöhen, so eine Befürchtung; hingegen bleibe der Bedarf an Grün- und Erholungsflächen unberücksichtigt. Weiterhin sei der Stand der geplanten Durchwegung von der Pohl- zur Kurfürstenstraße unklar – ein Wegerecht für Fußgänger/innen und Fahrräder sei nicht festgeschrieben.

Herr Klette vom Bezirksamt weist auf die Beteiligungsmöglichkeiten hin

- So viele Planungen, Kritikpunkte und Anregungen auf der Veranstaltung auch vorgestellt und geäußert wurden: Wer möchte, dass seine Meinung zum aktuell laufenden Bebauungsplan-Verfahren ganz offiziell in die Auswertung des Bezirksamts Mitte mit einfließt, muss sich bis zum Ende der Bürgerbeteiligung am 22. August 2012 schriftlich zu den Planungen äußern, so der wichtige Hinweis von Herrn Klette aus dem bezirklichen Stadtplanungsamt.
Möglichkeit dazu haben Sie online über die Internetseiten des Bezirksamts, und wer möchte, kann sich unter anderem im Quartiersmanagement-Büro an der Pohlstraße 91 die Pläne zum B-Plan sowie zum Kurfürstenzentrum nochmals ansehen und auch gleich dort den Beteiligungsbogen ausfüllen – hier erfahren Sie mehr zur Beteiligung der Öffentlichkeit am aktuellen B-Plan-Verfahren.

text: S. Wolkenhauer; fotos: R. Aydinlar, J. Krohmer