Engagierte Diskussion rund um den Steinmetzkiez
Auch wenn die Presse der Einladung zum großen Teil nicht folgte, nutzten Anwohner/innen und Aktive aus dem Steinmetzkiez die Gelegenheit, die Lage vor Ort gemeinsam mit wichtigen Leuten aus Bezirk und Senatsverwaltung angeregt zu diskutieren.
„So ist unser Kiez nicht, da erkennen wir uns nicht wieder!“ – Dass dies die Redaktion vieler auf die tendenziöse Berichterstattung über den Steinmetzkiez Anfang Mai war, zeigte sich schon beim Präventionsrat am 10. des Monats.
Stadträtin Frau Ziemer, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Anwohnerinnen und Anwohner und Aktive hatten deswegen am 19. Mai zu einer Presseveranstaltung vor Ort eingeladen. So wollten sie gerade den Verantwortlichen für die negative Berichterstattung die Gelegenheit bieten, sich ein eigenes und vielleicht etwas anderes Bild von der Lage vor Ort zu machen.
Sie alle waren da. Wer jedoch fehlte, war die geladene Presse: Die großen Tageszeitungen und Lokalsender – Fehlanzeige. Vielen Dank auf diesem Wege noch mal an den engagierten Vertreter der Schöneberger Stadtteilzeitung aus dem Süden des Bezirks, der so zum „Medienvertreter“ im ganz wörtlichen Sinn wurde!
Doch davon ließen sich die Anwesenden im Nachbarschaftstreff Steinmetzstraße die Laune nicht verderben: In einer engagierten Diskussion stellten Anwohner, Aktive und Leute, die in der Steinmetzstraße arbeiten, ihre Sicht auf den eigenen Kiez dar. „Wir erleben das anders!“ war der Tenor, der sich durch die Gesprächsrunde mit Stadträtin Frau Ziemer, Herrn Mühlberg von der Senatsverwaltung, dem Schulleitern der Neumark-Grundschule direkt in der Straße und dem von den Presseberichten mit betroffenen Riesengebirgsgrundschule zog.
Keiner der Anwesenden kennt eine „Steinmetz-Gang“, wie sie in den Medien erwähnt wurde – wenn man denn „Gang“ im polizeilichen Sinn als eine Organisation versteht. Klar, dass es wie wohl fast überall Gruppen von Kindern und Jugendlichen gibt – ein ganz normales Phänomen. Und auch klar ist, dass sich die Gruppenmitglieder ausprobieren, Stärke zeigen wollen...
Dazu kommt, dass sich Hauptschüler natürlich wie alle Jugendlichen in ihrem Alter von ihrem Elternhaus zu lösen versuchen. Wer aber mit seinem Schulabschluss ohnehin schlechte Aussichten auf ein erfolgreiches Berufsleben hat, sucht seine Identität außerhalb der eigenen vier Wände wohl leicht in einer Gruppe Gleichaltriger aus der Nachbarschaft.
Klar ist auch, dass sich die Jugendlichen von den Erwachsenen zuhause nicht mehr so viel sagen lassen wie die Kleineren – die sehr produktive Elternarbeit an der im Kiez ansässigen Grundschule lässt sich also nicht einfach auf eine Hauptschule außerhalb des direkten Wohnumfelds übertragen.
Ein Thema, das eng mit nachbarschaftlichen Strukturen – sowohl für die Erwachsenen, als auch für die Jüngeren – zusammenhängt und alle Lebensbereiche durchzieht, war für die Anwesenden die Integration: Aus eigener Erfahrung konnte eine Mutter berichten, dass für sie selber nach der Schule schlicht das Ende der beruflichen Fahnenstange erreicht war – aufgrund ihres Aufenthaltsstatus´ durfte sie damals keine Ausbildung machen. Wie sich unter solchen Umständen wirklich integrieren? Dieser berechtigten Kritik am geltenden Recht konnte niemand widersprechen – und es ist durchaus bekannt, dass auch heute noch junge Menschen ähnlich massive Probleme haben (Näheres dazu auch hier).
Dass jemand in einer solchen Lage nicht aufgibt, sich nicht frustriert zurücklehnt und abschottet, ist bewundernswert, aber natürlich nicht selbstverständlich. Umso mehr zählt das Engagement der Anwohner, gerade der Mütter und Väter, vor Ort, das auch großes Lob von den Verantwortlichen aus der Politik erntete: Die erwähnte Mutter ist inzwischen eingebürgert und Gesamtelternvertreterin der Grundschule im Kiez, andere setzen sich für den Nachbarschaftstreff mit seinen Angeboten wie Frauenfrühstück, Frauengruppe oder Vätergruppe ein. Ein weiterer Anwohner stellt in Eigeninitiative Sportangebote für Kinder und Jugendliche auf die Füße – Integration durch Sport durch fairen Wettkampf nach festen Regeln.
Die Lage vor Ort mag nicht rosig sein, schöne Gegenden mit wohlhabenden Menschen in festen Jobs sehen anders aus. Dennoch mögen die Leute vor Ort ihren Kiez, es ist der ihre, und er gehört einfach zu ihrem Leben. Die Gegend in Medienberichten „herunterzumachen“ bringt da nichts Positives, so die übereinstimmende Meinung. Verständlich daher auch die Bitte der Anwohner an Bezirk und Senat: Man möge ihre Initiativen weiter unterstützen – damit es weiter bergauf geht mit dem Steinmetzkiez.
text: wolk