Deutschland sagt Danke - zwei Seniorinnen aus der Huzur-Seniorenfreizeitstätte geehrt
Stolz, Aufregung, Rührung: Frau Özdincer und Frau Ünsal, beide aus der ersten Generation der Gastarbeiterinnen und unermüdlich ehrenamtlich für andere engagiert, gehörten zu den Geehrten der bundesweiten Dankesfeier am ersten Oktober - wir gratulieren!
Am ersten Oktober 2008 würdigte die Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Staatsministerin Prof. Dr. Maria Böhmer, die Aufbau- und Lebensleistung der ersten Generation der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter. Unter dem Motto „Deutschland sagt Danke" ehrte sie rund 200 der geladenen Gäste aus der ersten Generation der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter.
Neben den „männlichen Gastarbeitern", die wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik beigetragen haben, hatten vor allem die Frauen Pioniergeist bewiesen. Denn fern der vertrauten Heimat und getrennt von der Familie haben sie oft größere Opfer bringen müssen als ihre männlichen Kollegen. Stets dem Risiko preisgegeben von der Gesellschaft ausgestoßen zu werden, war es für damalige Verhältnisse nicht selbstverständlich, alleine als Frau zum Arbeiten ins Ausland zu gehen. Sie haben damit dazu beigetragen, dass herrschende Rollenverhältnisse in Frage gestellt wurden.
Heute ist Deutschland für sie zur zweiten Heimat geworden. Unter den gewürdigten Frauen wurden unter anderem auch Frau Neriman Özdincer (64) und Frau Cemile Ünsal (69) geehrt. Sie sind in unserem Bezirk Tempelhof-Schöneberg aktiv. Mit ihrem ehrenamtlichen Engagement haben beide Frauen sowohl das Nachbarschafts- als auch das Vereinsleben stark geprägt. Sie sind für die nächsten Generationen ein Vorbild. Neriman Özdincer und Cemile Ünsal arbeiten seit der Gründung der HUZUR-Seniorenfreizeitstätte in der Katzlerstr.11 ehrenamtlich, und es verging kein Tag, an dem sie nicht die Einrichtung besucht haben. So auch an diesem besonderen Tag ihrer Daseinsgeschichte in Deutschland.
Die große Aufregung der beiden Damen war wie ein bezaubernder Duft von Stolz und Freude, der alle ergriff - bei vielen Freundinnen der beiden aber auch gepaart mit der Sehnsucht, zu diesem geehrten Personenkreis zu gehören. Wie schwierig, für so einen Tag so wichtige Fragen zu klären wie „welches Kostüm", oder „welche Schuhe und welche Tasche, und welchen Schmuck..." man, in diesem Fall Frau, zu diesem Empfang wohl tragen sollte! Frau Ünsal kam mit drei Paar Schuhen, diversen Taschen und Halsketten ins HUZUR, um sich von uns beraten zu lassen. So wurde der Treff an diesem Tag für einige Stunden zum Schönheitssalon ohne Gleichen.
Anschließend wurden die Damen ins Taxi gesetzt - und kurz nach 16 Uhr kamen sie direkt aus dem Bundeskanzleramt in die Seniorenfreizeitstätte zurück, um das Erlebte sowie auch ihre Auszeichnung mit der Unterschrift der Bundeskanzlerin Frau Merkel mit allen zu teilen.
Trotz der Enttäuschung, Frau Merkel nicht persönlich die Hand geschüttelt zu haben, waren sie umso stolzer mit der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration Frau Prof. Dr. Maria Böhmer ein persönlich gemeinsames Foto machen zu können. Frau Ünsal war besonders berührt durch die Herzlichkeit von Frau Prof. Dr. Maria Böhmer, denn diese drückte Frau Ünsal fest die Hand, als sie merkte, wie aufgeregt Frau Ünsal über diese Begegnung mit ihr war; ein unvergesslicher Augenblick!
Unser Stadtrat für Schule, Bildung und Kultur Herr Dieter Hapel und unsere Tempelhof-Schöneberger Integrationbeauftragte Frau Gün Tank haben dies zum Anlass genommen, beiden Damen zu gratulieren.
Auch hier auf diesem Weg über die Quartiers-Internetseiten nochmals herzlichen Glückwunsch zur Ehrung - und Ihnen beiden und allen hier nicht Genannten herzlichen Dank für Ihren großen Einsatz!
Neriman Özdincer
Frau Özdincer hat, wie keine vor ihr, die türkische Vereinslandschaft in Berlin mit ihrem Mann, Erdogan Özdincer geprägt. „Mein Kind war noch keine 40 Tage alt, da bin ich von Vereinssitzung zu Vereinssitzung gehetzt. Von der Einrichtung bis zur Organisation der diversen Vereine sowie deren Weiterführung war ich beteiligt. Wichtig war mir dabei immer Hilfesuchende zu unterstützen und Menschen zusammen zu bringen."
Unter anderem war Frau Özdincer sowohl im Sportverein Anadoluspor als auch im Rentnerverein Em-Der (Hilfs- und Solidaritätsverein für türkische Rentner, Behinderte und Senioren) engagiert.
Cemile Ünsal
Frau Ünsal hat in den 69 Jahren ihres Lebens viel Leid und Enttäuschungen erlebt. Mit 16 Jahren wurde sie auf Wunsch der Eltern verheiratet und ließ sich nach zwei Jahren unglücklicher Ehe scheiden. Aus dieser Ehe stammte ein Sohn. Mit 36 Jahren kam sie nach Deutschland, und kurz danach holte sie auch ihren Sohn nach. Als sie ihr Leben wieder im Griff hatte, verstarb ihr Sohn bei einem Autounfall.
Cemile Ünsal, die um ihren Sohn trauerte, versuchte ihr Leben weiter zu führen, nachdem sie sich vor Leid wieder fassen konnte. In dieser Zeit konzentrierte sie sich auf soziale Aktivitäten, kümmerte sich um die Sorgen anderer Menschen und half ihnen bei den Problemen. Im EM - DER e.V., der vor 20 Jahren in Berlin gegründet wurde, war sie eines der Gründungsmitglieder und arbeitete dort ehrenamtlich. EM - DER e.V. ist ein Begegnungs- und Betreuungszentrum für Rentner, Behinderte und Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund.
In der Seniorenfreizeitstätte Huzur, die vor drei Jahren gegründet wurde, führt sie ihre Aktivitäten fort. Frau Ünsal ist fast immer dabei bei den Putzaktionen (Die Huzur-Senioren putzen seit einem Jahr ehrenamtlich den Spielplatz in der Katzlerstraße), oft trifft man sie bei Sudoku- und Tanzkursen.
Frau Ünsal ist jeden Tag im Huzur, sie kocht zwei- bis dreimal die Woche und bietet den Besuchern ihre Künste an. Sie ist ein Vorbild in Freundschafts- und Nachbarschaftsbeziehungen. Gleichzeitig ist sie eine sehr strebsame Seniorin: Mit 69 Jahren hat sie am Schwimmkurs teilgenommen und ihr Seepferdchen-Abzeichen erworben.
text: Aktas/Topuz; fotos: Aktas/Cam