CONTAIN[ERA] - Galerie Zwitschermaschine zeigt internationale Kunst vor dem Pallasseum


Acht junge Künstler aus acht europäischen Ländern vom 20.8. bis 21.10. 2015 in acht Städten:
Berlin/Prag/Bratislava/Warschau/Budapest/Rom/Zürich/Wien

Adéla Součková (CZ), Dionýz Troskó (SK), János Brückner (HU), Karol Komorowski (PL), Angela Kaisers (DE), Lukas Troberg (AT), Till Koenneker (CH) und Carlo Zanni (IT)

CONTAIN[ERA] - MATERIALISIERTER  INFORMATIONS-TRANSFER IN DER POST-INTERNET ÄRA

Information und deren Verbreitung, Ortsspezifisches versus Ortsunspezifisches, Überbrückung der Kluft zwischen Lokalem und Globalem, Suche nach den eigenen Wurzeln in der Welt des Post-Internet – das sind die Hauptthemen des transnationalen Ausstellungsprojekts Contain[era] - Materialisierter Informations-Transfer in der Post-Internet Ära. In dessen Rahmen verwandeln sich ab dem 20. August 2015 acht Schiffscontainer in mobile Galerien. Jede von ihnen bietet Raum für die multimediale Ausstellung eines jungen europäischen Künstlers. Die zweimonatige Rundreise durch acht europäische Städte verbindet benachbarte Kulturen. Höhepunkt des Projekts dann die gemeinsame Präsentation und ein darauf bezogenes Symposium in Prag ab dem 24. Oktober 2015.

Die jungen Künstler werden dem Publikum in jeder der teilnehmenden Städte in einem Schiffscontainer mit ihrer Rauminstallation vorgestellt. Diese ungewöhnlichen Ausstellungsräume reisen auf einem Rundkurs zwischen Prag, Bratislava, Warschau, Budapest, Rom, Zürich, Berlin und Wien.

Station Berlin:
Freifläche vor dem Pallasseum Höhe Pallasstr. 5 in 10781 Berlin-Schöneberg

Erreichbar mit:
u.a. U7, U12, S 1, S2, Bus 48, Bus 85

Eröffnungen in der Station Berlin:
Angela Kaisers - Do 20.8.–18Uhr
Till Koenneker – Fr 28.8.–19Uhr
Carlo Zanni – Fr 4.9.–19Uhr
Lukas Troberg – Fr 11.9.–19Uhr
János Brückner – Fr 18.9.–19Uhr
Dionýz Troskó – Fr 25.9.–19Uhr
Adéla Součková – Fr 9.10.-19Uhr
Karol Komorowski – Fr 16.10.-19Uhr

Öffnungszeiten
:
Mo Di Mi 13 – 17 Uhr
Do Sa – 15 – 19 Uhr

Links:
www.containera.eu
www.facebook.com/containera
www.zwitschermaschine-berlin.de
www.facebook.com/Zwitschermaschine

 

CONTAIN[ERA] ist ein transnationales Ausstellungsprojekt in Kooperation von:
Art Direct Prag // Containall Prag // Hotdock Bratislava // SYAA Budapest // Lookout Warschau // Label201 Rom // Zwitschermaschine Berlin // Soon Zürich // Boxircus Wien

... und hier die Künstler/innen im Einzelnen:

Angela Kaisers (DE)

Die Installation “BALD” basiert auf sechs allgemein bekannten Märchen der Sammlung von den Gebrüdern Grimm und diskutiert die Verbreitung von Erzählungen, von Wissen und von Moralvorstellungen. Zudem bezieht das Werk kritisch Stellung zu der Art und Weise, wie Frauen in diesen Geschichten porträtiert werden. Märchen waren reisende Bündel von Informationen und Schaukästen des - zumeist aber nicht immer - nationalen kulturellen Erbes. Analysiert man den Inhalt der sechs ausgewählten Märchen (Der Froschkönig, Schneewittchen, Dornröschen, Aschenputtel, Rapunzel, Rotkäppchen) wird offensichtlich, dass die Grundlage von allen ein Zustand des „Wartens“ ist. Auf etwas, auf jemanden, auf ein Ereignis. In „BALD“ schlüsselt Angela Kaisers die Inhalte der Geschichten auf, reduziert sie auf diesen Moment des Wartens, und beleuchtet und kritisiert hierdurch die moralischen und geschlechtsspezifischen Klischees, die diese vorgeben. Mit seinem Wortspiel stellt der Titel der Installation den thematischen und konzeptuellen Ansatz der Künstlerin vor: das deutsche Wort „bald“ wird mit dem Warten auf Jemanden oder auf Etwas assoziiert, während der englische Ausdruck „bald“ mit  „unverblümt“ übersetzt werden kann.

Till Koenneker (CH)

Ein leeres gestrandetes Boot liegt offen in dem Schiffscontainer – nur der vergoldete Bug schaut heraus. In dem Container ist der Rest des armseligen, schmutzigen Boots zu sehen. In Koennekers Installation steht der Schiffscontainer für Handel mit fernen Ländern, die Ankunft lang erwarteter Güter. Es ist einer der Bausteine unserer globalisierten konsumorientierten Kultur. Es symbolisiert die trügerische Hoffnung, denen Flüchtlinge wie einem Licht folgen und die sie alle möglichen Risiken für ein besseres Leben in Kauf nehmen und ertragen lässt.

Carlo Zanni (IT)

Zannis Arbeit “LOCALHOST” ist Teil der langfristigen Beschäftigung des Künstlers mit öffentlicher, interaktiver, site-spezifischer Kunst, deren Resultate er dem Publikum bereits in verschiedenen Ort und Situationen vorgestellt hat. Die Arbeit zeigt eine standardisierte 404 Internet Fehlermeldung, die besagt, dass ein Bild mit dem Titel „me_BIG.jpg“ in keinem der verschiedenen Verzeichnisse zu finden sei. Manche der Verzeichnisse sind leer geblieben, um von den Besuchern gefüllt werden zu können, andere enthalten die Definition von Werten, an die der Künstler „persönlich glaubt, aber nach denen zu leben bisweilen schwer fällt“ - insbesondere in der heutigen Gesellschaft. Mit dem Bewusstsein, dass Werte von Ort zu Ort und von Person zu Person variieren, ist diese Arbeit eine Art Graffiti-in-Progress und lädt den Betrachter ein, teilzunehmen und zu interagieren. In der Contain[era]-Version dieser Arbeit sind alle Verzeichnisse leer und stehen damit den Besuchern für Interpretation und Interaktion offen.

Lukas Troberg (AT)

Wenn man den Raum von Trobergs Installation „Speed Run“ betritt wird man sich fühlen, als seien einem die Augen verbunden, unfähig zu sehen. Wenn man aus dem Sonnenlicht in die Dunkelheit des Containers tritt, wird man ein Gefühl der Bedrückung spüren. Innen zeigt ein Computerbildschirm eine Operation mit dem Endoskop – Bilder aus dem menschlichen Körper kombiniert mit Sounds von Videospielen. Wirklichkeit und Entertainment werden austauschbar.

János Brückner (HU)

„Welcome“ ist eine multimediale Installation die eine post-humanistische Vision in Szene setzt. Wir haben Privatheit und Vertrautheit zugunsten der Vorzüge der Technologie aufgegeben. Umgeben von Apparaturen leben wir unter den Bedingungen permanenter und obligatorischer Identifizierung. Die Installation betrachtet den menschlichen Körper in der Post-Internet Ära auf zweierlei Weise. „Likeprint“ verwandelt die Besucher in Drucker – in dem sie ein leeres Blatt Papier - Zahlenreihen folgend - mit „Like“-Stempeln füllen, lassen sie ein Bild entstehen. Der Container selbst wird durch eine Menge lebensgroßer Papierpuppen ein zugleich leerer und humaner Raum der Ersetzung, in dem unsere dis-identifizierten Körper präsentiert werden. Das Ausstellungsobjekt selbst dient dabei als Leerraum, eine Konstruktion, die dazu vorgesehen ist, „Menschen-Inhalt“ aufzunehmen. Die Installation reflektiert die negativen Aspekte solcher Räume und thematisiert dabei Ersetzung und Abwesenheit.

Dionýz Troskó (SK)

Das site-spezifische Projekt von Dionýz Troskó, Absolvent der Akademie für Kunst, Architektur und Design Prag und der Kunsthochschule Bratislava, ist die persönliche Reaktion eines „einfachen Mannes“ auf das momentan so oft diskutierte und oft falsch interpretierte Phänomen der Flüchtlinge in Mittel- und Osteuropa. Der Künstler zeigt seine Gesellschaft als kurzsichtig und unfähig zu einer kritischen Reflexion der eigenen Vergangenheit. In seiner Arbeit interpretiert er aus der heutigen Sicht die Erinnerungen, wie sie in den Werken slowakischer Schriftsteller der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts festgehalten sind. Damit macht er dem Betrachter deutlich, dass die Situation vor gar nicht langer Zeit entgegengesetzt war, er verweist auf eine Generation von Slowaken, die als Flüchtlinge lebten. Diese Realität stellt Troskó in Kontrast zu den xenophoben Artikeln in der zeitgenössischen Presse auf der einen und zu der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte auf der anderen Seite, die seinerzeit gerade als Lehre aus der Geschichte entstanden ist.

Adéla Součková (CZ)

Die Installation von Adéla Součková, Absolventin der Prager Akademie der Bildenden Künste und der Dresdner Hochschule für Bildende Künste, für das Projekt Contain[era] ist ein Chiasmus. Die Autorin verwebt fragmentarische Hinweise und Geschichten ohne Anfang und Ende mit der Bewegung des Betrachters durch ihr Werk. Der Weg zum Ganzen bleibt Instinkt. Piktographische Darstellungen von Symbolen, wobei sich fließend, die Bildsprache des Internets zitierend, historische mit zeitgenössischen vermischen – die Bildsprache einer animierten Kaligraphie. Dahinein strahlt am Ende des Videos die Vollendung, die Erfüllung der Sehnsüchte des Betrachters. Wonach sehnen wir uns? Getäuscht zu werden durch das Abbild, nach Nähe, nach Dazugehörigkeit oder Anerkennung als Individuum. Die Katharsis ist eine Illusion, das Video verspricht in Endlosschleife jedem dasselbe. Die Wahrheit liegt in der Gegenständlichkeit, die hier als Zeichnung und als das Video-Objekt selbst gegenwärtig ist. Gegenständlichkeit, die sowohl die „Realität“ wie die „Virtualität“ konstruiert.

Karol Komorowski (PL)

Die Installation von Komorowski besteht aus großteiligen Fotoarbeiten. Ihr panoramatisches Format und ihre Poetik rückt sie in die Nähe des populären Genres der Stadtlandschaften. Vermittels ihres Gegenstands – der Computer Hardware – reflektieren die Arbeiten eine eher physische Annäherung an die heutige technikgetriebene Gesellschaft. Während der Diskurs über die Verfassung des Post-Internets Fahrt aufnimmt, ist es wichtig zu schauen, was sich abspielt, bevor der Computerbildschirm den Raum eines einsamen Net-Flaneurs mit kalten, synthetischen Licht füllt. Die Computer-Hardware, zugleich verborgen und sakral, wird nahtlos verdeckt von dem Display und damit von Bildern und wird zur Domäne von Experten, ein Körper der vernachlässigt wird vor dem Lobgesang auf den Intellekt – also die Software, die allen Prozessen, egal wo in der Welt, zugrunde liegt. Aber die innere Logik der Hardware findet ihren Ausdruck nicht nur in einer hochkomplexen Architektur, sie zeigt sich zugleich auch in den offenbar ästhetischen Qualitäten. Nur wie eine Verbindung zwischen diesen scheinbar weit entfernten Stadtlandschaften und unserer stadtfixierten Kultur herstellen? Und liegt es in der Natur der Datenverarbeitung oder der Information selbst, dass alles so kompatibel und universell scheint?

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