Großes Interesse an der Veranstaltung „Potsdamer Straße, Kurfürstenstraße, schon immer Orte der Prostitution?"

Interessant für viele: die geschichtlichen Entwicklungen rund um die Prostitution

Am 28. Februar 2012 ging es im voll besetzten Saal des Nachbarschaftstreffpunkts Huzur zurück in die Vergangenheit des Quartiers rund um Potsdamer und Kurfürstenstraße: Die Info-Veranstaltung aus der Reihe „Nachbarschaft und Prostitution“ zur Vorbereitung der Bürgerausstellung zum Thema stand ganz unter dem Thema der Geschichte des Straßenstrichs in Berlin.

Einen Überblick über die ersten veröffentlichten Aufzeichnungen zur Berliner Prostitution, beginnend im Jahr 1790, gab der Historiker und Geschlechterforscher Stefan Wünsch. Einen direkten Zusammenhang zwischen der Industrialisierung, Kapitalisierung und Verstädterung mit der zum Teil explosionsartigen Zunahme der Bevölkerung und ebenso mit der Zunahme der Prostitution hatte es schon immer gegeben, so Wünsch, und das wird auch zukünftig weiter so sein.

Im Laufe der Zeit starteten immer wieder verschiedene Versuche die Prostitution zu unterbinden: So wurde beispielsweise im Jahre 1810 erstmalig die Aussetzung von Bordellkonzessionen für Berlin beschlossen, 1844 folgte die gesetzliche Aufhebung der Bordellkonzessionen und ein Verbot der Bordelle in Berlin.

Von heutiger Warte aus erstaunt, dass man zu dieser Zeit mit der Prostitution einen ganz anderen Ort verband, nämlich das zentrale Quartier rund um die Friedrichstraße.
Erst um 1900 herum wandelte sich die sogenannte „Schöneberger Vorstadt“ (1861 bzw. 1920 schrittweise zu Schöneberg eingemeindet) zum Berliner Vergnügungsviertel – eine Entwicklung, die durchaus auch in den Medien Beachtung fand.

Den verschiedenen Aufzeichnungen aus den letzten 250 Jahren lässt sich entnehmen, dass Anwohner und „die Stadt“ immer wieder versuchten, die Prostitution zu verdrängen oder gar zu verbieten, diese sich aber stets an die neuen Umstände anpasste und verlagerte. Seit nunmehr etwa 100 Jahren hat sich die Straßenprostitution rund um die Potsdamer und Kurfürstenstraße etabliert.

Stephanie Klee, selbst Prostituierte und politische Aktivistin, kam 1986 nach Berlin. Sie berichtete über die Veränderungen, die seit den 70er Jahren das Miteinander zwischen Anwohnern und Sexarbeiter/innen beeinflussten. So hatte unter anderem der Abriss des Sportpalastes im Jahr 1973 und die Verlagerung von Veranstaltungen in die Deutschlandhalle  das große Ausbleiben der Vergnügungstouristen in diesem Viertel zur Folge. Parallel dazu kam es zu einem Verfall des Kiezes, in den nun Hausbesetzer, aber auch Asylsuchende, sozial Schwache und Drogenkonsumenten zogen. Das veränderte die Gegend und das Zusammenleben der Bürger und Prostituierten.

Dennoch: Auch wenn es im Berlin von 1790 ebenso wie den 1970er Jahren und bis heute Probleme unterschiedlichster Art gab, immer wieder fanden sich friedliche Lösungen.
Auch heute funktioniert, was sich schon in den 80er Jahren als gute Möglichkeit erwiesen hat, so Frau Klee: Sie rief dazu auf, auf die Frauen auf der Straße nicht nur zuzugehen und mit ihnen zu sprechen und sie so besser kennen zu lernen, sondern sie auch immer wieder auf die ungeschriebenen Regeln für ein angenehmes Zusammenleben hinzuweisen.

Die Gäste – unter ihnen nicht nur Anwohner/innen und weitere Interessierte, sondern auch Bezirks- und Landespolitiker/innen verschiedener Fraktionen und Dr. Sibyll Klotz, Stadträtin für Gesundheit, Soziales und Stadtentwicklung - war nicht grundsätzlich gegen die Ausübung der Prostitution im Gebiet eingestellt, das stellte sich in der anschließenden Diskussion heraus. Doch wie schon früher gibt es einen klaren Tenor, dass die Begleiterscheinungen der Prostitution sich auch nachteilig auswirken. So kamen zum Beispiel viele Fragen zur Erreichbarkeit der meist osteuropäischen Sexarbeiter/innen auf, die das Bild der Kurfürstenstraße bestimmen.

Überwiegend waren die Teilnehmer/innen der Veranstaltung jedoch zuversichtlich, dass sich Wege für ein friedliches und einvernehmliches Mit- und Nebeneinander finden lassen.

Durch den Abend führte wie schon bei der Vorgänger-Veranstaltung zum Thema „Prostitution - Menschenhandel“ die Soziologin Christiane Howe, die mit Blick auf die Zukunft des Kiezes die Anwesenden dazu aufrief, sich am Prozess zur Lösungsfindung zu beteiligen und an der für den Sommer diesen Jahres geplanten Bürgerausstellung zum Thema "Nachbarschaft und Prostitution" teilzunehmen.

text: Lilli Böwe/ÜA Wolkenhauer; foto: Gerhard Haug