Aktuelles aus dem Quartier: Die Lotsin geht von Bord

Die bezirkliche Koordinatorin Gisela Gut wechselt in Wirtschaftsförderung - Ein Kommentar von Bertram von Boxberg

Die meisten im Schöneberger Norden kennen sie: Sie ist die Frau, die auf Straßenfesten und bei Spielplatzeröffnungen immer aufmunternde Worte durchs Megaphon rief. Sie ist es, die es immer geschafft hat, bei zahllosen Veranstaltungen für die Leute etwas zu Essen und zu Trinken zu organisieren, auch wenn gar kein Geld dafür vorhanden war. Es war ihr immer wichtig, unterschiedliche Menschen in diesem Gebiet zusammenzubringen. Sie konnte begeistern, sie konnte mitreißen. Gisela Gut ist eine Meisterin im Netzwerken.

Unübertroffen sind ihre kleinen Geschenke, mit denen sie Akteure oder Jugendliche, die sich im Kiez engagiert hatten, liebvoll bedacht hat. Auch für diese Gaben hatte die Verwaltung oftmals keinen Etat zur Verfügung gestellt. Ihr war es egal: Irgendwo muss Gisela Gut im Schöneberger Rathaus kistenweise Kaffeetassen gefunden haben. Ausrangiertes Porzellan? Diese Tassen stammten aus einer anderen Zeit und  sollten an einen Besuch von Marlene Dietrich bei dem Regierenden Bürgermeister Willy Brandt am 4. Mai 1960 erinnern. Diese inzwischen legendäre Tasse wurde über Jahre das bezirkliche Präsent von Gisela Gut. So etwas konnte sich nur diese Frau ausdenken.

Es gibt Menschen im Kiez, die meinen, Gisela Gut mit dem Begriff „Mutter des Schöneberger Nordens“ gerecht zu werden. Doch dieser Begriff ist genauso falsch wie unsinnig. Gisela Gut ist nicht Mutter von irgendetwas, sie ist Teil einer Verwaltung. StadtQM 1, BA Tempelhof Schöneberg von Berlin Abt. Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung, Bezirkliche Koordination QM Schöneberger Norden, so lautete ihre Dienstbezeichnung bis zum 30. September 2012. Dass Frau Gut Teil der bezirklichen Verwaltung ist, ist kein Nachteil. Im Gegenteil: Für den Schöneberger Norden war es ein Glück und zeigte über 14 Jahre, wie Verwaltung eben auch funktionieren kann: Engagiert, couragiert und, wenn es sein muss, auch mal unkonventionell.

Als am 28. Januar 1998 mit dem ersten Präventionsrat im Schöneberger Norden das Quartiersmanagement auf den Weg gebracht wurde, war dies auch das Eingeständnis von Politik und Verwaltung: Wir schaffen es nicht mehr allein. Wir können die Verwahrlosung und die Gewalt im Gebiet nicht mehr mit dem alten Verwaltungshandeln stoppen, wir brauchen die Bürgerinnen und Bürger. Das Quatiersmanagement wurde etabliert, später der Quartiersrat.

Der Präventionsrat wurde eine feste Institution im Gebiet. Unzählige Projekte, zum Teil mit hohem ehrenamtlichen Anteil der Anwohnerschaft, wurden erfolgreich durchgeführt. Doch all diese Maßnahmen berühren auch die Zuständigkeit der bezirklichen Verwaltung. Dafür brauchte es eine Schnittstelle zwischen Verwaltung, Quatiersmanagement und Bürgerengagement. Diese Schnittstelle war über 14 Jahre lang Gisela Gut. Kein Baum kann mit QM-Mitteln gepflanzt werden, ohne dass das nicht irgendwelche Ämter genehmigen; dies gilt für Straßenfeste ebenso wie für eine Kunstaktion.

Die meisten Bürgerinnen und Bürger kennen Frau Gut als die Frau mit der Kaffeetasse und dem Megaphon. Ihre eigentliche Leistung aber liegt darin, für die unzähligen Projekte, Maßnahmen und Aktionen grünes Licht von der Verwaltung organisiert, sicher manchmal auch ertrotzt zu haben. Sie hat diesen Teil ihrer Tätigkeit zumeist hinter den Kulissen erledigt, ohne viele Worte darüber zu verlieren.

Dass dies mitunter eine sehr harte Arbeit war, kann ermessen, wer mit Behörden öfter zu tun gehabt hat. Wenn ein Projekt in den Quartiersrat eingebracht wurde, hatte sie vorher höchst professionell geklärt, dass nicht irgendwelche Ämter und Behörden sich querstellen. Die Quartiersräte haben davon nichts mitbekommen. Es ist die großartige Leistung von Frau Gut, all diesen Projekten, all dem bürgeschaftlichen Engagement im Kiez den Rücken freigehalten zu haben.

Aufzuzählen, was Frau Gut in den 14 Jahren für den Schöneberger Norden geleistet hat, würde den Rahmen dieses Blattes sprengen. Was bleibt ist die Erkenntnis, dass viel erreicht werden kann, wenn man eine oftmals träge Verwaltung auch einmal für unkonventionelle und neue Wege begeistern kann. Das konnte Frau Gut. Bürgerinnen und Bürger begeistern konnte sie sowieso.
 
Zum ersten Oktober 2012 nimmt Frau Gut eine neue Herausforderung an, stellt ihr Engagement der bezirklichen Wirtschaftförderung zur Verfügung. Die Aufgabe von Frau Gut wird Corinna Lippert übernehmen, die als jahrelange Mitarbeiterin des Team QM das Gebiet hervorragend kennt und insoweit in ihre neue Tätigkeit bereits bestens eingearbeitet ist.

text: Bertram von Boxberg