Bei der Charme-Offensive Potsdamer Straße ging es diesmal um „Hausgeschichten“ rund um das Eckhaus Potsdamer Straße 180 / Pallasstraße
Es waren zwei abwechslungsreiche Geschichtsstunden über ein Haus, dem man heute nicht mehr alles das ansehen kann, was sich hinter seinen Mauern und in seiner Umgebung abgespielt hat.
Sibylle Nägele und Joy Markert vom Literatur-Salon Potsdamer Straße, Bodo Förster, ehemaliger Studiendirektor an der Sophie-Scholl-Schule und ausgewiesener Kenner der Geschichte des Schöneberger Nordens und zwei Vertreter/innen der selbstverwalteten Einrichtungen „für Junge und jung gebliebene Menschen“, drugstore und potse, nahmen das zahlreich erschienene Publikum am 25. Oktober 2015 bei den „Hausgeschichten. Potsdamer Str. 180“ mit auf eine spannende Reise über viele Stationen:
Kleistpark hieß die Station, an der die Reise begann. Der Park entwickelte sich vom „Hof- und Küchengarten mit landwirtschaftlichen Mustergarten“ im 17. Jahrhundert zum Botanischen Garten unter der Leitung von Adalbert von Chamisso im 19. Jahrhundert bis zu einer öffentlichen Parkanlage nach dem zweiten Weltkrieg.
Zu den weiteren Stationen gehörten die Gebäude rund um den Park - das Verwaltungsgericht, das Haus am Kleistpark, der Hochbunker, die Sophie-Scholl-Schule - und natürlich die Randbebauung an der Pallas- und Potsdamer Straße, die Anfang des 20 Jahrhunderts entstand und zu der auch das Gebäude Potsdamer Straße 180 gehört - seinerzeit noch Nr. 75. In dem als Geschäftshaus errichteten Gebäude fand 1913 der berühmte Herbstsalon von Herwarth Walden statt. Er markierte den Aufbruch in die künstlerische Moderne.
Eine weitere wichtige Station der Reise durch die Kiezgeschichte bildete die Zeit des Nationalsozialismus. Die nationalsozialistischen Planungen zum Umbau Berlins zur Hauptstadt Germania hätten auf den Schöneberger Norden einschneidende Auswirkungen gehabt. Sie wurden nicht realisiert. Das Gebäude Potsdamer Straße 180 wurde von den Nationalsozialisten 1934 zum Zentralbüro der Deutschen Arbeitsfront ausgebaut, die Nachfolgeorganisation der zwangsaufgelösten Gewerkschaften. Über dem Hauptportal prangten Reichsadler und Hakenkreuz. Am Ende des Krieges war die Potsdamer Straße 180 stark zerstört, die russische Armee eroberte die Gegend erst Ende April 1945.
Nach dem Krieg wurde das Haus wieder instandgesetzt und umgebaut, Anfang der 1970er Jahre zog hier die vermutlich älteste selbstverwaltete Jugendeinrichtung Deutschlands, das drugstore, ein. Seit 25 Jahren ist auch die potse hier. Zu der Zeit gehörte das Haus dem Land Berlin, das es irgendwann an die BVG verkaufte. Der Eigentümer hat in der Zwischenzeit erneut gewechselt. Beide Einrichtungen waren über die vielen Jahre wiederholt von Schließung bedroht. Immer wieder gelang es, sie zu retten. Seit 2006 lief der Betrieb ohne solche Gefährdungen.
Das hat sich aktuell leider dramatisch geändert. Die beiden Vertreter/innen von drugstore und potse wiesen auf die zur Zeit sehr ungewisse Zukunft der beiden traditionsreichen Einrichtungen hin. Seitdem der jetzige Hauseigentümer dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg zum Jahreswechsel eine erhebliche Mieterhöhung für seine sozialen Einrichtungen in dem Haus angekündigt hatte, konnte das Jugendamt den bestehenden Mietvertrag für seine Einrichtungen nicht über den 31.12.2015 hinaus verlängern und musste auch die Verträge mit den Kinder- und Jugendeinrichtungen im Haus vorsorglich zum Jahresende kündigen. Seitdem sucht das Jugendamt intensiv nach einer bezahlbaren Lösung für drugstore, potse und PallasT.
Nun wird die Zeit knapp. Man kann nur hoffen, dass alle Einrichtungen erhalten bleiben und dass es eine gemeinsame Lösung für das Dilemma geben wird.
Wer mehr über die Geschichte von drugstore und potse wissen will, kann sich eine Ausstellung im drugstore anschauen. Ein Film ist derzeit in Arbeit. Der dazu gehörige Trailer hatte an diesem Abend Premiere und bildete den Abschluss der Veranstaltung. Er ist demnächst im Internet zu sehen.
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- Die "Charme-Offensive Potsdamer Straße" wird mit Mitteln aus dem Programm Soziale Stadt über das Quartiersmanagement Schöneberger Norden unterstützt.