Auf gute Nachbarschaft! - Rückblick auf das zweite Kiezgespräch im Kulmer Kiez
Hauptthema des zweiten Kiezgesprächs im Kulmer Kiez am 5. Juli waren die gefühlte und/oder reale Angst von Frauen, die sich auf der Straße von Jugendlichen belästigt fühlen - und die Frage, wie man Selbstbewusstsein und Chancen von Jugendlichen stärken könnte.
Bei Gebäck, Tee und Getränken startete das zweite Kiezgespräch für den Kulmer Kiez im Huzur-Freizeittreff mit einem lockeren Informationsaustausch über das Geschehen vor der eigenen Haustüre - um recht bald auf ein Thema zu kommen, das die gut zwanzig Teilnehmer/innen dann den ganzen Abend beschäftigen sollte:
Immer wieder fühlen sich Frauen im Kiez durch Jugendliche belästigt - durch üble Beschimpfungen und durchaus sexuelle Anmache. Diese Situation ist Realität, da war man sich schließlich einig. Egal, ob die Bedrohung eher gefühlt ist oder wirklich echt: Die Angst der Frauen ist vorhanden, etwas muss geschehen.
Einige Erfolge habe es in der Mansteinstraße gegeben, wo man Kontakt zum Hodscha, dem Geistlichen der Anadolu Moschee an der Kulmer Straße, aufgenommen hatte. Der hatte offensichtlich das Problem in seiner Gemeinde angesprochen und damit auch auf Jugendliche eingewirkt.
Auch im Treff 62 gibt es nach einem Gespräch mit einer Frauenarbeitsgruppe erste Kontakte - wobei ziemlich klar ist, dass die Jugendlichen aus dem Treff eher nicht die Belästiger sind, das stellten übereinstimmend Nachbarn und mit Vejsel Saydan, Sozialarbeiter im Treff, fest. Mehrere Bewohner/innen bestätigten, dass der Treff eine sehr gute und wichtige Arbeit mache. Wichtig sei, so Herr Saydan, konkrete Probleme zu benennen; nur dann könne man zusammen darüber reden und etwas voran bringen.
Unausgesprochener Hintergrund für die Diskussion um die Jugendlichen aus dem Treff 62 ist, dass sich im Kulmer Kiez öfter auch völlig ortsfremde Jugendliche aus anderen Stadtteilen treffen: Dort kreuzen sich U- und S-Bahn, der Bahnhof Yorckstraße ist einfach prima zu erreichen.
Eine willkommene Auflockerung in Wagenrad-Größe überraschte die Runde auf dem Höhepunkt der Diskussion: Die Türen gingen auf und die Teilnehmer/innen konnten sich auf die von der Inhaberin der gegenüberliegenden Pizza-Bäckerei Katzler-/Ecke Großgörschenstraße gespendeten acht Riesenpizzen freuen - wie übrigens bereits zum ersten Kiezgespräch im Mai.
Eine Anwohnerin wies im Ansschluss an die Zwischen-Mahlzeit darauf hin, dass gegenseitiger Respekt und Gespräche gute Erfolge brächten: Sie hätte die Erfahrung gemacht, dass die jungen Leute nach Gesprächen sehr viel höflicher geworden seien. Das habe etwas mit Entgegenkommen zu tun - und damit, dass gerade Jugendliche mit geringen Chancen für ihr Leben dringend Anerkennung bräuchten. Sie schlug deswegen vor, gemeinsam mit den Jugendlichen ein Projekt zu entwickeln, das alle toll fänden und das so eine positive Ausstrahlung hätte.
In diese Richtung gingen die Überlegungen der Runde dann auch weiter: Bildung muss möglich sein, um die eigenen Chancen zu erhöhen, so die Ausgangs-These. Wie kann man das fördern? Kann man vielleicht einen Preis für die Eltern stiften, damit sie sich noch mehr um die Bildung ihrer Kinder kümmern? Oder welche Arten von Anerkennung für die Jugendlichen selbst könnte es geben - Anerkennung neben dem Schulzeugnis, Anerkennung für Eigenschaften und Talente, die nicht auf dem Lehrplan stehen und dennoch Identität stiften?
Für Anfang September - nach den Schulferien - ist ein Treffen im Treff 62 mit den Jugendlichen angesetzt. Dort wird es neben einem Gespräch über die Ängste der Anwohnerinnen auch um solche Projekte und eine bessere Vernetzung im Kiez gehen. Wir sind schon jetzt gespannt auf die Ergebnisse und werden natürlich weiter berichten.
text: wolk/joleit